Sonntag, 11. November 2018

Machtkampf in der CDU

Große Zukunft


Von Georg Fülberth
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Wer macht das Rennen? Annegret Kramp-Karrenbauer, Generalsekretärin der CDU, Jens Spahn (CDU, r.), Bundesgesundheitsminister, und Friedrich Merz (CDU)
Angeblich liegen im Rennen um den CDU-Vorsitz Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz Kopf an Kopf. Das ist eine mediengemachte Nachricht, mit der Spannung aufgebaut werden soll. Ähnlich lauteten die Prognosen vor den innerparteilichen Abstimmungen der SPD über einen Eintritt in die große Koalition. Hinterher kam heraus, was man vorher hätte wissen können. Zöge die CDU eine Beratungsfirma heran (vielleicht hat sie ja eine), wäre deren Tip wohl klar: Merz ja, Kramp-Karrenbauer nein.
Merkel muss weg, die gegenwärtige Generalsekretärin gilt als Verwalterin ihres Erbes. Der Kanzlerin werden eine vergeigte Bundestagswahl und zwei Einbrüche bei Landtagswahlen angelastet, von Kramp-Karrenbauer fürchtet man Gleiches. In diese Panik sprang Friedrich Merz hinein. Er verspricht Dynamik und die Öffnung neuer Horizonte.
Da die gegenwärtige Koalition SPD und CDU/CSU gleichermaßen hinunterzieht, braucht die Union Jamaika oder – nach Neuwahlen – »Schwarz-Grün«. Unter Kramp-Karrenbauer gäbe sie (weil die als Merkel-flau gilt) die rechte Flanke frei für die AfD. Mit Merz sieht das anders aus. Er gibt den Anti-Merkel, gilt als konservativ und könnte gerade deshalb zusammen mit Robert Habeck die Stabilität des schwarz-grünen Blocks garantieren. Repräsentant der Atlantik-Brücke, Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Abteilung von Blackrock: ein glaubwürdiger Westler. Zusammen unter anderem mit dem aus seiner Sicht wohl eher linksradikalen Philosophen Jürgen Habermas hat Merz im Handelsblatt einen Aufruf veröffentlicht: »Wir sind in tiefer Sorge um die Einigung Europas und die Zukunft Deutschlands«. Das gibt der AfD Luft (wenngleich nicht soviel wie bei Kramp-Karrenbauer). Deren Kovorsitzender Gauland lobt ihn schon. Dieser ist halt ein alter CDUler, der seine ehemalige Partei auf seinen Kurs bringen will. Er steht zu Höcke, kritisiert ihn auch einmal und gibt bekannt, dass es rechts von diesem keine weiteren Nazis in der AfD geben dürfe. Eine Koalition mit der CDU in Ostdeutschland 2019 schließt er nicht aus. So ließe sich die Einheit der gespaltenen deutschen Rechten wiederherstellen. Für ein solches Zukunftsprojekt – im Westen mit den Grünen, im Osten mit der AfD – hätte Merz ein genügend breites Kreuz, Kramp-Karrenbauer aber nicht. Sie passt nicht in eine ganz große Zukunft.
Entsprechend blass wirkte sie bei ihrer grundsätzlichen Stellungnahme am 7. November. Von Merkel will sie sich nur in Stilfragen und durch stärkere Betonung der inneren Sicherheit unterscheiden. Das dürfte nicht reichen.
Ein solches Urteil kann nur auf einer externen Wahrnehmung beruhen. Die CDU ist aber wie der Kreml: große Außenansicht, aber was drinnen vorgeht, weiß man nicht. Vielleicht ist die Verunsicherung dort schon so groß, dass es zum weitgespannten männlichen Entwurf nicht mehr reicht.

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