Freitag, 9. November 2018

[Leipziger Autoritarismus-Studie 2018] Die „Mitte“ geht nach Rechts. Wer arbeitet daran?


Leipziger Autoritarismus-Studie 2018Nach einer Studie von Forschern der Universität Leipzig vertritt etwa jeder dritte Bundesbürger ausländerfeindliche Positionen. 36 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Ausländer nur hierherkommen, um den Sozialstaat auszunutzen, heißt es in der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Langzeitstudie zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen. Über ein Viertel würde Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken, wenn in Deutschland die Arbeitsplätze knapp werden. Rund 36 Prozent hielten die Bundesrepublik durch Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet. Bei all diesen Fragen war die Zustimmung im Osten größer als im Westen. Eine »Überfremdung« sahen etwa 44,6 Prozent der befragten Ostdeutschen und 33,3 Prozent der Westdeutschen. Bundesweit stimmten 56 Prozent der Aussage zu, sie fühlten sich »wegen der vielen Muslime hier wie ein Fremder im eigenen Land«. Mehr als zehn Prozent waren zudem der Meinung, dass »der Einfluss der Juden zu groß« sei…“ – aus dem Beitrag „Rassismus breitet sich in Deutschland aus“ von Aert van Riel am 07. November 2018 in neues deutschland externer Link über die Veröffentlichung der Leipziger Studie, die es seit 2002 alle zwei Jahre gibt. Siehe dazu auch die Studie selbst, zwei weitere Kommentare und zwei Beiträge über (einige der) Hintergründe:
  • „Extreme Mitte beleuchtet“ von Marc Bebenroth am 08. November 2018 in der jungen welt externer Link hebt unter anderem hervor: „Auch wenn bei den Angaben über Zustimmung zu oder Ablehnung von extrem rechten Positionen stets zwischen ostdeutschen und westdeutschen Teilnehmern unterschieden wurde, betonen die Forscher, dass es ihnen nicht darum gehe, »die Bevölkerung in einem Teil der Republik besonders herauszustellen«, wie es auf Seite 71 heißt. So sei auf der »Einstellungsebene« das Bild in Mecklenburg-Vorpommern ähnlich wie in Bayern. Aber »auf der Handlungsebene« lasse sich »zur Zeit eine stärkere Mobilisierung der extremen Rechten in Ostdeutschland« beobachten, wie die Autoren weiter schreiben. Eine Differenzierung zwischen Bewohnern ländlicher Räume und denen in urbanen Zentren fand jedoch nicht statt, wie Decker auf jW-Nachfrage am Mittwoch erklärte. Den Befragten wurden Aussagen vorgelegt wie: »Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.« Dem stimmten bundesweit rund 30 Prozent latent und wiederum 35,7 Prozent »manifest«, also »voll und ganz«, zu. Der Satz: »Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben«, fand ebenfalls rund 30 Prozent latente und 36,5 Prozent vollständige Zustimmung. Ähnlich fällt das Ergebnis zu der Frage aus, ob »unser Land heute« ein »hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen« gegenüber dem Ausland brauche…
  • „Studie “Flucht ins Autoritäre”: Zunahme von Ausländerfeindlichkeit und Abwertung von Muslimen in Deutschland“ von Thomas Pany am 07. November 2018 bei telepolis externer Link zum Thema der Dynamik der Entwicklung: „Dazu ein Schlüsselsatz: “Blicken wir auf die autoritäre Dynamik, sehen wir also nicht nur, dass sich Menschen für den Markt optimieren sollen, sondern auch, warum sie es selbst wollen.” Der Satz illustriert, dass ökonomische Gründe, obschon sie wichtig sind, nicht der Pfad sind, den die Studie bei der Analyse sucht. Man will tiefer gehen. Zwar habe die ökonomische Argumentation ihre Berechtigung. Die wird folgendermaßen aufgeführt: “Menschen, die entlassen sind aus den sozialen Sicherungssystemen, flexibilisiert zum unternehmerischen Selbst, dem Markt ausgeliefert und in Sorge um ihren sozialen Status” seien “empfänglich geworden für autoritäre Verführungen”. Das sei “nicht ganz falsch”. Aber dabei werde zweierlei aus dem Blick verloren: “die historische Tiefe und die Komplizenschaft, die die Menschen mit der Herrschaft eingehen und unter deren Druck sie gleichzeitig leiden”. Nach Ansicht der Studienautoren wird die Gesellschaft “von einer autoritären Dynamik beherrscht, die das Einverständnis vieler Bürgerinnen und Bürger hat”….“
  • „Eifrig trommelt die „Bild““ von Steffen Grimberg am 07. November 2018 in der taz externer Link zum Zentralorgan der Bewegung anhand aktueller Personalien:  „Noch vor ein paar Wochen war Hans-Georg Maaßen der Mann, der als Bollwerk die Deutschen vor Terror und Gefahr schützte. Man werde sich schon noch umgucken, wenn der wegmüsse, so der Generalbass im knietief-rechtskonservativen Sumpf. Dass hier linksradikale Elemente der SPD gegen den kernigen Verfassungsschützer Maaßen üble Komplotte schmiedeten, hätte auch von Julian Reichelt sein können. Jetzt ist Maaßen also tatsächlich weg, und was macht Bild? Gar nichts, knapper Beitrag, Tagesgeschäft und einen Kommentar zur – ähm: Rentenerhöhung. Die passt natürlich auch besser zum ZDF unter den Zeitungen als weiteres Trommeln für einen Unhaltbaren. Getrommelt wird jetzt einfach für Friedrich Merz…“
  • „Der Geist der Nation“ von Peter Decker am 19. September 2018 in der jungen welt externer Link hielt unter vielem anderen fest: „Bei aller Ablehnung der Sprache der CSU fragt sich mancher aus dem weltoffenen Lager ganz ohne Schaum vorm Mund, ob die Zuwanderung das Volk nicht tatsächlich überfordert und die Elite dessen Sorgen nicht ernst genug genommen hat bzw. gegen Fremdes allzu tolerant gewesen ist. Ohne menschenverachtende Häme, aber auch ohne Kritik haben die Deutschen die Unverträglichkeit ihres Lebens als Volk mit den Überlebensinteressen der Bewohner von halb Afrika und dem Nahen Osten zu konstatieren. Das ist sie schon, die besonnene Gegenposition gegen die inzwischen mehrheitsfähige nationalistische Hetze; ihre nähere Bestimmung gibt ihr die Frau, gegen die der Aufstand der CSU sich richtet. Merkel widersetzt sich Seehofers »Masterplan Migration« ausschließlich in dem einen Punkt der Zurückweisung anderswo registrierter Asylsuchender an den deutschen Landesgrenzen. So etwas will sie in der EU »nicht unilateral, nicht unabgestimmt, nicht zu Lasten Dritter« durchziehen. Der Gegensatz zwischen den C-Parteien dreht sich also gar nicht um die Frage, ob in Deutschland Platz für die Zuwanderer sein soll, sondern einzig darum, ob sie souverän deutsch an der deutschen oder europäisch an der EU-Außengrenze gestoppt bzw. über dieselbe zurückverfrachtet werden sollen. Die weltoffene, aufgeklärte Position, für die Merkel heute steht, ist die der europäischen Abschottung. Auch für die CSU hat die »Festung Europa« zwar einen guten Klang, sie ist aber nicht mehr bereit, sich von der dafür nötigen Kooperation der EU-Partner abhängig zu machen und auf deren Ergebnisse zu warten…

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