Dienstag, 13. November 2018

Es gab viel politische Aufklärung beim 28. Filmfestival Cottbus, mit behördlicher Unterstützung aber auch offene Nazipropaganda

Bandera und die Bundeszentrale


Von Bernd Müller
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»Narrativ der faschistischen Bataillone im Donbass«: »Chervoniy«
Der Hauptpreis des 28. Filmfestivals Cottbus ging am Sonnabend an den russischen Spielfilm »Ayka« von Sergej Dworzewoi. Die unvergessliche Titelfigur stehe für die »Vergessenen ganz unten«, hieß es in der Begründung der Jury. Ayka (Samal Yeslyamova) muss in einem überfüllten Elendsquartier am Rande Moskaus unter »Illegalen aus Kirgistan« überleben, ihr Neugeborenes loswerden – bis sie weint, vergehen 100 quälende Minuten, inszeniert ein wenig wie ein reißerischer Dokfilm.
»Politisch wie noch nie« wollte das Festival in diesem Jahr sein, und tatsächlich wurde in dieser Hinsicht viel geboten. Herausgehoben sei ein Spielfilm zum »vergessenen Holocaust« in Rumänien: »I do not care if we go down in history as barbarians« von Regisseur Radu Jude. Eine forsche Nachwuchsregisseurin arbeitet in dem Film mit Laiendarstellern an einem Reenactment des Massakers, das im Oktober 1941 an den Juden von Odessa begangen wurde. Bei dem von Marschall Ion Victor Antonescu (Diktator in Rumänien von 1940 bis 1944) befohlenen »Vergeltungsakt« wurden bis zu 50.000 Juden ermordet. Das Verbrechen wird heute noch relativiert oder geleugnet, Antonescu gilt als Nationalheld. Die junge Regisseurin stößt auf Ressentiments, Ablehnung und muss sich in langen Dialogen mit Versuchen auseinandersetzen, das Massaker weiterhin auszublenden.
Bei der öffentlichen Aufführung kommt dann alles zusammen: Die Laienschauspieler, die vorher nur schwer zu bewegen waren, Rotarmisten zu spielen, werden von der Bevölkerung ausgebuht. Die Nazis genießen ein höheres Ansehen, die rumänischen Truppen sowieso. Gegen den Willen der Projektleitung wird schließlich auch das Massaker auf die Bühne gebracht. Als Antonescu die Juden zum Feind erklärt, jubeln die Zuschauer. Ein Darsteller eines Juden will durch die Menschenmenge fliehen, wird aber vom Publikum aufgehalten und zur »Hinrichtung« zurückgebracht. Die Menge kann zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr an sich halten, fast jeder filmt mit seiner Handykamera. Schließlich brennt auf der Bühne das Haus mit den Juden darin – frenetischer Beifall.
Radu Judes zweite filmische Auseinandersetzung mit dem rumänischen Faschismus lässt den Zuschauer mit einem flauen Gefühl in der Magengegend zurück. Schmerzhaft wird deutlich, was die staatlich verordnete »Heldenverehrung« im Bewusstsein der Menschen anrichtet.
Ganz anders gelagert die Großproduktion »Chervoniy« aus der Reihe »Close up UA« mit ukrainischen Gegenwartsfilmen, die von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt wurde. Der georgische, in der Ukraine lebende Regisseur Zaza Buadze stellte sein Spektakel als Teil eines »Neuen ukrainischen Kinos« vor und kündigte mehrere Fortsetzungen an.
1947 in einem sowjetischen Zwangsarbeitslager. Danylo Chervoniy, ehemaliger Kämpfer der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), wird dem Publikum als Heldenfigur präsentiert. Nichts dazu, weshalb er interniert ist, an welchen Verbrechen der UPA er beteiligt war oder weshalb die Sowjetmacht die UPA bekämpfte. Ihm gegenüber steht der russische Lagerkommandant, unberechenbar und sadistisch. Chervoniy nimmt den ungleichen Kampf auf, erschießt alle russischen Lagerinsassen und das gesamte Wachpersonal und flieht mit einer kleinen Truppe Gleichgesinnter. Eine Figur, wie sie Sylvester Stallone oder Dolph Lundgren in großen Kinoerfolgen des Kalten Krieges spielten.
»Chervoniy« ist ein Propagandafilm, der das Narrativ der ukrainischen Regierung und ihrer faschistischen Bataillone im Donbass bedient und in den Kinos salonfähig macht: hier die guten Ukrainer mit ihren »UPA-Helden«, auf der anderen Seite die Russen, welche die Ukrainer in Knechtschaft halten wollen. Im Film werde das »patriotische Banner« ausgerollt, hieß es in einer Ankündigung des Festivals – dass es solcher Nazipropaganda eine Bühne bot, überraschte dann aber doch.

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