Montag, 12. November 2018

Erste Afghanistan-Konferenz in Moskau. Taliban gleichberechtigt am Verhandlungstisch

Erfolg für die Gastgeber


Von Knut Mellenthin
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Russlands Außenminister Sergej Lawrow (l.) begrüßt am Freitag in Moskau den Taliban-Vertreter Alhadsch Mohammad Sohail Schaina (r.)
Russlands Bedeutung als internationaler Akteur und Vermittler wächst. Die Afghanistan-Konferenz, die am Freitag in Moskau stattfand, stellte in erster Linie einen diplomatischen Erfolg der Gastgeber dar. Ein Durchbruch war es auch für d ie Taliban, die zum ersten Mal in einem derart großen Rahmen gleichberechtigt am Verhandlungstisch saßen. Praktische Fortschritte gab es, soweit bisher bekannt ist, nicht. Aber das war bei der Premiere des neuen »Moskauer Formats« von vornherein nicht zu erwarten gewesen.
Rund ein Dutzend Staaten, die auf irgendeine Weise am Afghanistan-Konflikt beteiligt oder interessiert sind, hatten Delegationen zur Konferenz geschickt. Darunter waren China, Iran, die traditionell verfeindeten Länder Pakistan und Indien sowie die an Nordafghanistan grenzenden ehemaligen sowjetischen Republiken Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan. Die USA waren lediglich durch einen Diplomaten ihrer Moskauer Botschaft als »Beobachter« vertreten.
Die Taliban hatten fünf Mitglieder ihres Büros in der Hauptstadt des kleinen Fürstentums Katar, Doha, entsandt. Die dortige Anlaufstelle der afghanischen Aufständischen war vor mehreren Jahren auf Wunsch der US-Regierung eingerichtet worden, um Kontakte anbahnen zu können. Die Taliban lehnen Gespräche mit der Regierung in Kabul ab, weil diese aus ihrer Sicht nicht legitimiert, sondern nur eine Marionette der USA ist.
Afghanistan nahm an der Moskauer Konferenz nicht mit einer staatlichen Delegation teil, sondern hatte vier Vertreter des »Hohen Friedensrates« geschickt. Dieses Gremium war im September 2010 vom damaligen Präsidenten Hamid Karsai eingesetzt worden, um ohne offizielle Schwierigkeiten Gespräche mit den Taliban aufnehmen zu können. Zustande gekommen sind solche Kontakte bisher nicht. Die Moskauer Konferenz war die erste Gelegenheit, bei der Vertreter der Aufständischen und des Friedensrats, dem mehrere frühere Taliban-Politiker angehören, gemeinsam am Tisch saßen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte in seiner Ansprache an die Konferenz: »Russland will ein einiges, ungeteiltes Afghanistan bewahren, in dem alle ethnischen Gruppen, die dieses Land bewohnen, Seite an Seite friedlich und zufrieden leben.« Als Organisator des Zusammentreffens sehe Russland seine Rolle darin, »mit Afghanistans regionalen Partnern und Freunden, die sich heute an diesem Tisch versammelt haben, zusammenzuwirken, um jeden nur möglichen Beistand anzubieten, der den Beginn eines konstruktiven innerafghanischen Dialogs erleichtern könnte«.
Die Moskauer Konferenz war schon für August angekündigt worden, wurde dann aber verschoben. Ein erster Versuch, sie stattfinden zu lassen, scheiterte im September, weil die Regierung in Kabul für sich die Verhandlungsführung beanspruchte und die USA eine Beteiligung mit der Begründung ablehnten, dass ohnehin keine Fortschritte zu erwarten seien. Washington bevorzugt direkte bilaterale Gespräche mit den Taliban. Sie liegen seit Anfang September in der Hand des zum US-Sonderbotschafter ernannten, in Afghanistan geborenen und aufgewachsenen Zalmai Kallzad.
Indessen wartet Afghanistan immer noch auf die Resultate der Parlamentswahlen, die am 20. und 21. Oktober stattfanden. Planmäßig sollte ein vorläufiges Ergebnis innerhalb von 20 Tagen nach Schließung der Wahllokale veröffentlicht werden. Diese Frist ist jetzt verstrichen, ohne dass bisher mehr als die Höhe der Beteiligung bekanntgegeben wurde. Sie soll bei »beeindruckenden« 45 Prozent gelegen haben. Offenbar bezieht sich diese Zahl aber nur auf die Minderheit derjenigen, die sich in die Wahllisten hatten eintragen lassen, und außerdem nur auf die Teile des Landes, in denen Wahllokale eingerichtet werden konnten.

https://www.jungewelt.de/artikel/343362.afghanistan-konferenz-in-moskau-erfolg-f%C3%BCr-die-gastgeber.html

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