Spahns Stückwerk
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Pflege stärken – mit Hilfe von Minimalstandards
Foto: Wolfgang Kumm/dpa
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Auf der Webseite der Bundesregierung verkündete der Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag vollmundig: »Mit der Verabschiedung des Pflege-Sofortprogramms heute im Deutschen Bundestag lösen wir das Versprechen an alle Pflegekräfte in Deutschland ein, ihren Berufsalltag konkret zu verbessern.« Für alle Pflegekräfte – soviel sei vorweggenommen – wird das sicher nicht gelten. Vermutlich deshalb betonte Spahn während der zweiten Lesung des Entwurfs für das Personalstärkungsgesetz (PpSG) im Bundestag, dass es sich um einen ersten Schritt handelt, Verbesserungen durchzusetzen. Er sei genervt davon, dass alle immer davon reden, was noch fehlt, anstatt dieses Gesetz als Beginn anzusehen, dem weitere Schritte folgen würden.
Damit wäre schon einmal geklärt, dass die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV), die am 11. Oktober in Kraft getreten ist und angeblich für Entlastung der Beschäftigten sorgen sollte, nicht der bedeutungsbeladene erste Schritt war. Der PpUGV zufolge muss nur das Viertel der Krankenhäuser mit der schlechtesten Personalausstattung aufstocken. Außerdem legt die Verordnung Personaluntergrenzen nur für die vier »pflegesensitiven Bereiche« Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie fest. Eine Befürchtung ist nun, dass es im Zuge der Verordnung sogar zu einer Verschlechterung der Personalausstattung kommen könnte, wie es in der aktuellen Ausgabe der Verdi-Zeitschrift Publik heißt. Das liege zum Beispiel daran, dass die Verordnung bei dem Punkt unklar bleibe, ob Stationsleitungen, die im Arbeitsalltag vor allem organisatorische Aufgaben wahrnehmen, in die Mindestbesetzung eingerechnet sind. Außerdem müssten die ohnehin minimal geplanten Untergrenzen nur im »Durchschnitt« eingehalten werden und ein Verbot, Pflegepersonal aus anderen Bereichen abzuziehen, um die Verordnung auf den vorgeschriebenen Stationen einzuhalten, gebe es nicht.
Das PpSG sieht vor, solche Personaluntergrenzen allmählich für weitere »pflegesensitive« Bereiche zu ermitteln und festzulegen – bis 31. August 2019 etwa für die Bereiche Neurologie und Herzchirurgie. Ernstgemeinte Personalbemessung sieht anders aus, zum Beispiel in Form von Personalvorgaben, die sich am Bedarf orientieren, für alle Stationen und Bereiche. »Maßstab muss eine gute und sichere Patientenversorgung und die dringend nötige Entlastung der Beschäftigten sein«, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler am Freitag. »Das Gesetz erreicht beides nicht. Es bleibt Stückwerk.« Sie fordert nun vom Bundesrat, auf Nachbesserungen zu dringen und die Entwicklung eines Personalbemessungsinstruments zu verlangen.
Der Aspekt des PpSG, dass Tarifsteigerungen für die Beschäftigten sowie jede Pflegekraft, die am Bett ankommt, vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden sollen, begrüßt Bühler hingegen. Besonders die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) sei positiv. »Dadurch wird die Pflege vor den Fehlanreizen dieses Finanzierungssystems geschützt. Das ist ein absolut richtiger Schritt, der auf andere Berufsgruppen im Krankenhaus ausgeweitet werden sollte«, so Bühler auf einer Gewerkschaftstagung von Interessenvertretern an Krankenhäusern. Deutlich wird hier zum einen: Fallpauschalen werden nicht prinzipiell abgeschafft, sondern gelten für andere Bereiche fort. Michael Simon, Experte für Gesundheitspolitik, bezweifelt im Verdi-Interview außerdem, dass die Kosten für das Pflegepersonal tatsächlich aus dem DRG-System herausgenommen werden: »Die Regierungskoalition selbst hat einen Änderungsantrag eingebracht, der ausdrücklich klarstellt: Die Vergütung der Pflegekosten soll Teil des pauschalierten Entgeltsystems bleiben.« Es gebe also deutliche Hinweise darauf, dass dies keine dauerhafte Abkehr vom DRG-System sein soll. »Diesen Verdacht könnte die Bundesregierung ausräumen, indem sie die Pflegekosten anhand der Belegungstage auszahlt.« Da die Regierung das nicht tue, vermutete Simon, dass »sie in ein paar Jahren Pflegepauschalen einführen will«.
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