Donnerstag, 18. Oktober 2018

Verfassungsschutzchef noch immer im Amt

Perfekte Amtsführung


Von Ulla Jelpke
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Strippenzieher im Hintergrund: Hans-Georg Maaßen (l.) und Bundesinnenminister Horst Seehofer
Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag
Auch sechs Wochen, nachdem der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (VS) einen Skandal ausgelöst hat, ist der Mann noch immer im Amt und grüßt von der Homepage des Geheimdienstes mit den Worten: »Wir sind ein Dienstleister für Demokratie.«
Ein Bärendienst-Leister. Denn der vermeintliche Hüter der Verfassung erweist sich seit Jahren als eine ihrer größten Bedrohungen. Noch bevor Hans-Georg Maaßen das Kommando über den Geheimdienst übernommen hatte, forderte er 2011 in einem Aufsatz, die Ausbürgerung von »nominell deutschen Staatsangehörigen« (gemeint: Eingebürgerte) zu erleichtern, sofern sie dem »typischen Personenkreis« des militanten Islamisten zuzurechnen seien. Deutsche in »echte« und nur »nominelle« zu unterscheiden, ist ansonsten Nazis bzw. der AfD überlassen. Den von den USA nach Guantanamo verschleppten Bremer Murat Kurnaz empfahl Maaßen in einem Gutachten, nicht wieder einreisen zu lassen – schließlich habe er sich länger als ein halbes Jahr im Ausland aufgehalten. So geht Förderung von Staatsterrorismus.
Als der Whistleblower Edward Snowden die illegalen Abhöraktionen der USA aufdeckte, sah Maaßen, nun Geheimdienstchef, im Verlangen nach Aufklärung ein Risiko: Der NSA-Untersuchungsausschuss behindere die Terrorabwehr, und überhaupt sei die Empörung über die NSA-Machenschaften »antiamerikanisch«. Und so ging das weiter. Journalisten von netzpolitik.org, die über die heimliche Aufrüstung des VS berichteten, wollte er wegen »Landesverrats« angehen. Und im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri führte er fort, was seine Vorgänger schon mit den Nazimördern vom NSU gemacht hatten: Über die Verstrickung des Geheimdienstes und seiner V-Leute in Terrornetzwerke täuschen und tarnen, solange es geht, bis zu dem Punkt, dem Untersuchungsausschuss des Bundestages einen Spitzel reinzusetzen.
Da ist es dann kein Wunder, dass Maaßen die Naziaufmärsche von Chemnitz verharmloste, aber jenen, die zuerst über Hetzjagden berichteten, die Absicht politischer Diversion unterstellte. Noch heute faselt der Geheimdienst auf seiner Internetseite von »Anti-Asyl-Kundgebungen des demokratischen Spektrums«; die demokratiefeindliche Hetze der AfD wird ignoriert, wenn nicht gar protegiert, wie rechte Aussteiger darlegen.
Trotz alledem steht für die Regierungsparteien fest: Wenn Maaßen fällt, fällt er die Treppe rauf, ein einflussreicher gutbezahlter Posten im Innenministerium war schnell eingerichtet. Dass der Mann immer noch amtiert, ist kein Zeichen von Fachkräftemangel. Vielmehr sind die Regierenden mit seinem Amtsverständnis durchaus d’accord. Denn Maaßen ist der perfekte Repräsentant eines Systems, das nicht in Verbrechen und Versagen des Staates ein Problem sieht, sondern in Bürgern, die sich dies verbitten.
Maaßen muss weg, keine Frage – aber mit ihm das ganze Amt!

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