Dienstag, 16. Oktober 2018

Tolu reist in die Türkei zurück

Der Prozess gegen die Journalistin Tolu ist fortgesetzt worden. In Istanbul ist die Deutsche persönlich vor Gericht erschienen. Die Reise ist nicht ohne Risiko, hat jedoch auch einen wichtigen Grund.
Von Burcu Arslan, ARD-Studio Istanbul
Lange war es unklar. Doch Mesale Tolu nimmt am Prozess gegen sie in Istanbul teil. Sie wolle sich gegen alle Vorwürfe verteidigen und Freispruch beantragen, sagt ihre Anwältin, Kader Tonc.
Nachdem ihre Ausreisesperre Ende August aufgehoben wurde, kehrte die 34-jährige Tolu mit ihrem kleinen Sohn nach Deutschland zurück. Zuvor war sie mehr als sieben Monate lang in Untersuchungshaft.

Ehemann ist ebenfalls angeklagt

Für Tolu gibt es einen wichtigen Grund für den Prozess nach Istanbul zurückzukehren: Ihr Ehemann, Suat Corlu, ist im selben Verfahren angeklagt. "Wir werden zusammen verurteilt", sagt sie. "Der Richter hat mich gehen lassen und meinen Mann nicht. Wenn ich nicht mehr auftauche, wird er sagen: 'Frau Tolu haben wir gehen lassen. Sie kommt nicht mehr - warum sollen wir Herrn Corlu gehen lassen?'" Das sei für sie und ihren Sohn ein Grund zurückzugehen und an dem Verfahren teilzunehmen.
Auch Tolus Mann wird Terrorunterstützung vorgeworfen. Anders als seine Frau ist er aber türkischer Staatsbürger und darf bis auf weiteres die Türkei nicht verlassen. Die Familie, allen voran Tolus Vater, Ali Riza Tolu, unterstützt den Schritt seiner Tochter, für den Prozess in die Türkei zu kommen. "Meine Tochter ist eine mutige Frau", sagt er. "Sie weiß, was sie tut. Wir hoffen, das macht was Gutes."


Reise mit Risiken

Ganz ungefährlich ist Tolus Teilnahme am Prozess nicht. Die türkischen Behörden könnten ihr die Einreise in das Land verweigern, befürchtet ihre Anwältin.
Tolu aber hat diese Bedenken im Moment nicht. Sie sei nicht nicht geflüchtet und noch drei Wochen lang in der Türkei geblieben, nachdem die Ausreisesperre aufgehoben wurde, sagt sie - vor den Augen der Polizei und aller anderen. "Hätten sie damals etwas machen wollen, hätten sie es gemacht. Deswegen denke ich nicht, dass es leichtsinnig ist, sondern das Nötige, was getan werden muss."
Dabei sieht sich Tolu nicht als Einzelkämpferin. "Ich bin nicht die Einzige, die das erlebt hat. Deswegen fühle ich mich vielleicht auch stark." Immer noch erlebten viele Menschen das gleiche wie sie. "Irgendein Tweet reicht aus, um im Gefängnis zu landen."
Mesale Tolu | Bildquelle: dpa 

Prozess wird womöglich vertagt

Der Fall Tolu hatte zusammen mit dem des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel sowie des Menschenrechtlers Peter Steudtner die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland schwer belastet. Yücel und auch Steudtner sind inzwischen aus der Haft entlassen und zurück in Deutschland.
Den Prozess im Istanbuler Gerichtssaal verfolgt auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp als offizielle Beobachterin des Bundestags. Auch ein Vertreter des deutschen Generalkonsulats in der Türkei ist beim Prozess anwesend. Dass heute ein Urteil gefällt wird, erwartet auch Tolus Anwältin nicht. Sie gehe davon aus, dass der Prozess vertagt wird.

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