Der Prozess gegen die Journalistin Tolu
ist fortgesetzt worden. In Istanbul ist die Deutsche persönlich vor
Gericht erschienen. Die Reise ist nicht ohne Risiko, hat jedoch auch
einen wichtigen Grund.
Von Burcu Arslan, ARD-Studio Istanbul
Lange war es unklar. Doch Mesale Tolu nimmt am
Prozess gegen sie in Istanbul teil. Sie wolle sich gegen alle Vorwürfe
verteidigen und Freispruch beantragen, sagt ihre Anwältin, Kader Tonc.
Nachdem ihre Ausreisesperre
Ende August aufgehoben wurde, kehrte die 34-jährige Tolu mit ihrem
kleinen Sohn nach Deutschland zurück. Zuvor war sie mehr als sieben
Monate lang in Untersuchungshaft.
Ehemann ist ebenfalls angeklagt
Für Tolu gibt es einen wichtigen Grund für den
Prozess nach Istanbul zurückzukehren: Ihr Ehemann, Suat Corlu, ist im
selben Verfahren angeklagt. "Wir werden zusammen verurteilt", sagt sie.
"Der Richter hat mich gehen lassen und meinen Mann nicht. Wenn ich nicht
mehr auftauche, wird er sagen: 'Frau Tolu haben wir gehen lassen. Sie
kommt nicht mehr - warum sollen wir Herrn Corlu gehen lassen?'" Das sei
für sie und ihren Sohn ein Grund zurückzugehen und an dem Verfahren
teilzunehmen.
Auch Tolus Mann wird Terrorunterstützung
vorgeworfen. Anders als seine Frau ist er aber türkischer Staatsbürger
und darf bis auf weiteres die Türkei nicht verlassen. Die Familie, allen
voran Tolus Vater, Ali Riza Tolu, unterstützt den Schritt seiner
Tochter, für den Prozess in die Türkei zu kommen. "Meine Tochter ist
eine mutige Frau", sagt er. "Sie weiß, was sie tut. Wir hoffen, das
macht was Gutes."
Reise mit Risiken
Ganz ungefährlich ist Tolus Teilnahme am Prozess
nicht. Die türkischen Behörden könnten ihr die Einreise in das Land
verweigern, befürchtet ihre Anwältin.
Tolu aber hat diese Bedenken im Moment nicht. Sie
sei nicht nicht geflüchtet und noch drei Wochen lang in der Türkei
geblieben, nachdem die Ausreisesperre aufgehoben wurde, sagt sie - vor
den Augen der Polizei und aller anderen. "Hätten sie damals etwas machen
wollen, hätten sie es gemacht. Deswegen denke ich nicht, dass es
leichtsinnig ist, sondern das Nötige, was getan werden muss."
Dabei sieht sich Tolu nicht als Einzelkämpferin.
"Ich bin nicht die Einzige, die das erlebt hat. Deswegen fühle ich mich
vielleicht auch stark." Immer noch erlebten viele Menschen das gleiche
wie sie. "Irgendein Tweet reicht aus, um im Gefängnis zu landen."
Prozess wird womöglich vertagt
Der Fall Tolu hatte zusammen mit dem des
"Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel sowie des Menschenrechtlers Peter
Steudtner die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland schwer
belastet. Yücel und auch Steudtner sind inzwischen aus der Haft
entlassen und zurück in Deutschland.
Den Prozess im Istanbuler Gerichtssaal verfolgt
auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp als offizielle
Beobachterin des Bundestags. Auch ein Vertreter des deutschen
Generalkonsulats in der Türkei ist beim Prozess anwesend. Dass heute ein
Urteil gefällt wird, erwartet auch Tolus Anwältin nicht. Sie gehe davon
aus, dass der Prozess vertagt wird.
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