Donnerstag, 18. Oktober 2018

Münchner Lange Nacht der Museen: Ausstellung soll Fluchterfahrungen sichtbar machen. Gespräch mit Sophie Graber

»Wollen mit Kunstwerken aufrütteln«


Interview: Gitta Düperthal
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»Does it affect you?« – In München will eine Ausstellung Fluchterfahrungen künstlerisch sichtbar machen (Szene auf einem Flüchtlingsschiff, Malaga, 12.10.2018)
Sophie Graber ist Kuratorin der Ausstellung »Does it affect you?«
Der Münchner Flüchtlingsrat zeigt am 20. Oktober die Ausstellung »Does it affect you?« im Rahmen der Langen Nacht der Museen. Welchen Einfluss kann Kunst nehmen, wenn sie sich mit dem politischen Rechtsruck und der Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und ihre Helfer auseinandersetzt?
Aus der Sicht des Münchner Flüchtlingsbeirats hat sich die Aufnahmebereitschaft seit 2015 gravierend verändert. Damals hatten Unterstützer in München Geflüchtete am Bahnhof in Empfang genommen, ihnen Kleidung und Nahrungsmittel mitgebracht. Jetzt stellt sich die Frage, inwiefern die Schicksale der Geflohenen überhaupt noch berühren. Wir wollen mit Kunstwerken, die migrantische Künstlerinnen und Künstler mit alteingesessenen Münchnerinnen und Münchnern gemeinsam ausstellen, aufrütteln. Dass die Empathie abgenommen hat, hat damit zu tun: Statt Lösungsvorschläge zu unterbreiten, wie Integration zu schaffen ist, wurden seitens der bayerischen Landespolitik und von Behörden den Unterstützern Steine in den Weg gelegt.
Menschen sollen auf kürzestem Rechtsweg in die Höllen ihrer Herkunftsländer zurückgeflogen werden; in Länder, die vom bayerischen Sessel aus betrachtet, als »sicher« erscheinen. Selbst in Arbeit oder Ausbildung Integrierte wurden deportiert. Unterstützern, die Asylsuchende über ihre Rechte aufklären wollten, wurde der Zugang zu Flüchtlingsunterkünften verweigert. All das hat Frustration ausgelöst. Zwar gibt es große Gegendemonstrationen, aber insgesamt ist ein Rechtsruck spürbar. Mit unserer Kunst wollen wir nun die Anliegen und Sorgen der Geflüchteten wieder näher bringen.
Können Sie das an Beispielen erläutern?
Durch die Inhalte dieser Kunstausstellung können Besucher nachempfinden, was es bedeutet, flüchten zu müssen: Wenn etwa ein Mensch lange Zeit auf dem Meer verbringen muss, mit der Unsicherheit, ob und wo er ankommt. Die Künstler können Erlebtes verarbeiten. Abdul Gahni aus Afghanistan hat so eine Szene auf einem seiner Bilder dargestellt: Man sieht das Meer, Leute, die versuchen, sich in den Booten festzuhalten, andere sind am Ertrinken. Einige versuchen, ihre Mitmenschen zu retten. Im Hintergrund ist ein Militärschiff zu erkennen, das bedrohlich wirkt.
Narges Kalhor, Filmemacherin aus dem Iran, präsentiert zwei Kurzfilme: Sie parodiert das Geschlechterverhältnis von Frauen und Männern. Sie lebt jetzt in München, thematisiert Kulturbrüche: Eine Frau trägt auf der Tanzfläche einer Disko einen Tschador.
Weshalb haben Sie die Ausstellung mit einer Gruppe aus hierher Geflüchteten und Münchner Künstlern konzeptioniert?
Der Münchner Flüchtlingsrat will ein Netzwerk für die Kulturschaffenden schaffen. Künstlerinnen und Künstler, die aus ihrem Land fliehen mussten, kommen so in Kontakt mit solchen, die hier leben und ein festes soziales Umfeld haben. Die wissen vielleicht, wo ein Atelier frei ist oder laden ein, im eigenen Atelier mit zu malen. Die Gruppe arbeitet miteinander und inspiriert sich gegenseitig.
Teil des Konzepts ist, dass während der Ausstellung in der »Langen Nacht der Museen« mit dem Publikum geredet wird und so Kontakte entstehen. Bei unserer vorherigen Ausstellung 2017 hatten sich so schon Folgeausstellungen ergeben. Einer der hierher geflüchteten Künstler, von Beruf Bootsbauer, hatte eine Miniatur-Piroge ausgestellt – und bekam daraufhin Kontakt zu einer Werft, um ein richtiges Boot zu bauen. Das war super: Über den Umweg des von ihm gefertigten Kunstwerks, das er in der Gruppe erstellt hat, war er wieder in seinem richtigen Beruf gelandet.
Zwar wird gefeiert, dass die CSU bei der Wahl einen Dämpfer bekommen hat, aber die Mehrheit im Landtag ist rechts. Wie ist angesichts dessen die Stimmung in der Künstlergruppe?
Musikerinnen und Musiker hatten vor der Wahl Lieder produziert, um wachzurütteln, nicht die AfD zu wählen. Während unserer Ausstellung werden zwei Personen herumgehen, das Publikum ansprechen und mit gesellschaftskritischen Themen konfrontieren.

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