Mittwoch, 17. Oktober 2018

Fußgänger-Verband fordert Abschaffung des Grünen Pfeils

Viele Autofahrer brechen Regeln


    Der Grüne Pfeil ist eine der wenigen ostdeutschen Regelungen, die es ins wiedervereinigte Deutschland geschafft haben. Fußgänger- und Radfahrer-Aktivisten wollen das Verkehrszeichen aber loswerden - aus Sicherheitsgründen.
    Autofahrern erspart er lästige Warterei an der Ampel: Auch bei Rot rechts abbiegen  - mit dem Grünen Pfeil geht das. Allerdings auf Kosten schwächerer Verkehrsteilnehmer, sagt Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr Deutschland. "Aus Sicht von Fußgängern sind die Erfahrungen sehr, sehr schlecht", bilanziert der Fußgänger-Aktivist. "Man hat Grün, kann sich aber nicht darauf verlassen, dass man sicher über die Straße kommt."
    Daher fordert der Verband, dass im neuen Fußverkehrskapitel des Berliner Mobilitätsgesetzes auch auf das Verkehrszeichen Nummer 720 eingegangen wird: "Wir wollen, dass die Grünen Pfeile überall dort, wo es Fußgängerüberwege gibt, wo Radwege kreuzen, wegkommen", sagt Stimpel.

    80 Prozent der Autofahrer halten nicht an

    Stimpel hat die Zahlen auf seiner Seite: In einer groß angelegten Studie zu 75 Städten in Ost und West haben Unfallforscher der großen Versicherungen Kreuzungen mit Grünem Pfeil unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die allermeisten Autofahrer halten sich nicht an die Vorschriften, die beim Rechtsabbiegen mit Grünem Pfeil gelten.
    Die Straßenverkehrsordnung besagt nämlich, dass auch beim Grünem Pfeil Autos zunächst einmal anhalten müssen. "Das ist wie ein Stopp-Zeichen. Wenn der Grüne Pfeil da ist und die Ampel auf Rot, muss man vor der weißen Linie halten. 80 Prozent der Autofahrer tun das nicht", sagt Stimpel. Wird man erwischt, kostet das 70 Euro und einen Punkt in Flensburg.

    Nur noch 60 Grüne Pfeile in Berlin - Tendenz sinkend

    Auch, wenn laut der zitierten Studie, eine "grundsätzliche statistische Auffälligkeit" an Kreuzungen mit Grünem Pfeil "nicht nachgewiesen" werden kann, gibt es doch "einzelne Unfallhäufungen". Daher haben viele Städte die Schilder wieder entfernt - denn die Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung setzen dem Grünen Pfeil enge Grenzen: Kommt es zu einer "Unfallhäufung", muss er wieder weg. Eine Unfallhäufung liegt vor, wenn es innerhalb von 36 Monaten mindestens zwei Unfälle mit Verletzten, drei Unfälle mit schwerem Sachschaden oder fünf Bagatell-Unfälle gegeben hat.
    Auch in Berlin sind diese Kritierien in der Vergangenheit immer wieder erfüllt worden. So sind in den vergangenen gut zehn Jahren rund zwei Drittel aller Grünen Pfeile der Straßenverkehrsordnung zum Opfer gefallen - wegen zu vieler Unfälle. Gab es 2007 noch 110 Ampeln mit Rechtsabbiegerpfeil, sind es zurzeit nur noch 60, Tendenz sinkend, teilte Matthias Tang, Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, am Mittwoch rbb|24 mit.

    Auch zwei Pfeile in Spandau könnte es treffen

    Die beiden nächsten Streichkandidaten sind die beiden Spandauer Kreuzungen Kloster-/Seeburger-/Wilhelmstraße und Alt-Pichelsdorf/Heerstraße. An beiden Standorten kam es innerhalb von 36 Monaten zu drei bzw. vier Unfällen, davon je einer mit Personenschaden - so geht es aus einer Polizeistatistik von Mai 2018 hervor. Die Polizei hat daher für beide Kreuzungen eine "Abordnung" empfohlen, sprich die Entfernung der Grünen Pfeile.
    Umgekehrt weist die Statistik für insgesamt 38 Kreuzungen mit Grünem Pfeil über drei Jahre überhaupt keine Unfälle aus - was für die Beibehaltung sprechen würde. Und auch der Fußgängerverband ist nicht kategorisch gegen das ostdeutsche Verkehrsrelikt: An Autobahnkreuzen oder in Gewerbegebieten, wo keine Fußgänger unterwegs sind, könne der grüne Pfeil am Ampelmast ruhig hängen bleiben, sagt Fußverkehrsexperte Stimpel.

    ADFC fordert freies Rechtsabbiegen für Radfahrer

    Harald Moritz, verkehrspolitischer Sprecher der Berliner Grünen, hält das Verkehrszeichen grundsätzlich für ein Auslaufmodell. Das Ziel der Verkehrspolitik müsse es sein, gefährliche Kreuzungen zu entschärfen. "Bei den großen Kreuzungen sollte geprüft werden, ob man nicht den Rechtsabbiegerverkehr getrennt signalisiert."
    So sieht es auch Nikolaus Linck. Der Pressesprecher des Berliner Landesverbandes des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) hält den Grünen Pfeil in seiner jetzigen Form für "kontraproduktiv". Unfallstatistiken zeigten, dass Fehler beim Abbiegen eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle seien. Trotzdem soll es aus Sicht des ADFC einen Rechtsabbiege-Pfeil geben, aber nur für Radfahrer - so, wie es in Frankreich und der Schweiz längst üblich sei. Mit dieser Variante des Grünen Pfeils ließen sich auch "viele Rotlichtverstöße von Radfahrern aus der Illegalität holen", sagte Linck am Mittwoch rbb|24.

    Straßenverkehrsordnung (StVO) §37, XI. Grünpfeil (Auszug)

    27 1. Der Einsatz des Schildes mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) kommt nur in Betracht, wenn der Rechtsabbieger Fußgänger- und Fahrzeugverkehr der freigegebenen Verkehrsrichtungen ausreichend einsehen kann, um die ihm auferlegten Sorgfaltspflichten zu erfüllen. […]
    35 2. An Kreuzungen und Einmündungen, die häufig von seh- oder gehbehinderten Personen überquert werden, soll die Grünpfeil-Regelung nicht angewandt werden. […]
    36 3. Für Knotenpunktzufahrten mit Grünpfeil ist das Unfallgeschehen regelmäßig mindestens anhand von Unfallsteckkarten auszuwerten. Im Falle einer Häufung von Unfällen, bei denen der Grünpfeil ein unfallbegünstigender Faktor war, ist der Grünpfeil zu entfernen. […]

    Keine Kommentare:

    Kommentar veröffentlichen