Mittwoch, 17. Oktober 2018

Europas Seidenstraße nach Asien


Die EU hat eine neue Anti-China-Strategie, will aber den wichtigsten Kunden hiesiger Konzerne nicht verprellen


Wendet sich das Blatt? Immer mehr Regierungen kritisieren Chinas Pläne einer »Neuen Seidenstraße«. 2013 hatte Präsident Xi Jinping seine Initiative »One Belt, One Road« vorgestellt: An die 1000 Milliarden Euro will China in Häfen, Straßen und Bahnstrecken investieren, um mehr als 60 Länder in Asien, Europa und Afrika miteinander zu vernetzen. Entlang der Routen der Neuen Seidenstraße sollen Fabriken, Logistikzentren und Verkehrswege entstehen.
Doch in vielen Ländern warnen Kritiker vor einem zu großen wirtschaftlichen und damit politischen Einfluss Pekings. Wasser auf die Mühlen der Skeptiker ist der mit chinesischer Unterstützung gebaute Hafen Hambantota im Süden Sri Lankas. Als die Regierung dort ihre Schulden gegenüber Peking nicht mehr bedienen konnte, wurden der Hafen und ein Industriegebiet 2017 notgedrungen an ein chinesisches Unternehmen für 99 Jahre verleast.
Die EU hat als Entgegnung auf die chinesische Expansion in dieser Woche eine eigene »Konnektivitätsstrategie« auf den Weg gebracht. Die Außenminister segneten den Plan der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini rechtzeitig vor dem am Donnerstag beginnenden zweitägigen 12. Asien-Europa-Treffen (ASEM) ab. An diesem nehmen Staats- und Regierungschefs aus 31 Ländern Europas und 20 Ländern Asiens sowie Ozeaniens teil. 123 Milliarden Euro will die EU laut dem Plan in ihrer nächsten Haushaltperiode von 2021 bis 2027 bereitstellen, um die Verbindungen mit Asien zu verbessern. Der Kontinent gilt weiterhin als Wachstumsmotor des 21. Jahrhunderts.
Noch verharrt die Brüsseler Strategie im Unbestimmten. Bei der »Konnektivität« soll es in erster Linie um Netze gehen. »Dabei kann es sich um Verkehrsverbindungen auf dem Luft-, Land- oder Seeweg handeln«, schreibt die EU-Kommission in ihrem Faktenheft. Aber auch digitale Netze vom Mobilfunk übers Festnetz bis hin zu Satelliten. Konnektivität soll zudem die Energienetze umfassen, von Erd- und Flüssiggas bis hin zu Elek-trizität und erneuerbaren Energien.
Letztlich habe die Konnektivität auch eine menschliche Dimension, zeigt man sich in Brüssel vom eigenen Patchwork-Plan überzeugt. Bei Bildung und Forschung sollen Europa und Asien enger zusammenarbeiten. Bei den Infrastrukturprojekten gehe es zudem um »finanzielle, ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit«.
Von einer »direkten Konkurrenz« zu Chinas »One-Belt-One-Road«-Initiative will die EU offiziell nichts wissen. Faktisch ist die Strategie mit dem sperrigen Begriff aber dennoch eine Antwort auf Pekings Vordringen in Asien und Europa, sind sich Beobachter des Brüsseler Politikbetriebes sicher. Deutlich wurde dies, als Mo-gherini im September bei der Präsentation ihres Planes auf den »Respekt für gemeinsame Regeln« verwies. Die EU will Regeln stärker durchsetzen, die einheitliche Wettbewerbsbedingungen und Chancengleichheit auf freien Märkten schaffen. China wird vorgeworfen, die teils offenen Märkte in Europa für seine wirtschaftlichen Interessen zu nutzen, selber aber seine Heimatmärkte immer noch in Teilen abzuschotten und chinesische Firmen gerade auch im Hochtechnologiebereich üppig zu subventionieren, um sie fit für den Export zu machen.
Andererseits will die EU die Regierung in Peking nicht verärgern. Weiß doch auch Brüssel, wie wichtig China mit seinen schätzungsweise bald 500 Millionen Konsumenten auf »Westniveau« für europäische Firmen ist. So meldete der deutsche Maschinenbauverband VDMA jetzt, dass China in der Exportrangliste auf Platz 1 rückte. Und nirgends setzen Autokonzerne wie Daimler oder VW so viele Autos ab wie in der Volksrepublik. Ein Großteil davon wird dort auch produziert.
Am ASEM-Gipfel nehmen neben dem EU-Block unter anderem China, Indien, Japan und Russland teil. Das übergeordnete Thema des Treffens lautet: »Europa und Asien: globale Partner für globale Herausforderungen«. Dazu sollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit auch in den Bereichen Klimawandel und Sicherheitspolitik erörtert werden. Allerdings ist ASEM kein »Block-zu-Block«-Dialog mit verbindlichen Beschlüssen, sondern nur ein alle Jahre stattfindendes informelles Gesprächsforum. Dennoch rückt man näher zusammen: So machte die EU-Kommission am Mittwoch den Weg für die Unterzeichnung eines Handels- und eines Investitionsabkommens mit dem ASEM-Partner Vietnam frei.
Außen vor sind vor allem die Vereinigten Staaten. Eine wichtige Rolle werden dagegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und sein Gegenpart vom Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN), Lê Luong Minh, spielen. Die Teilnehmer, darunter viele Entwicklungs- und Schwellenländer, stehen für zwei Drittel der Weltbevölkerung, der Weltwirtschaft und des Welthandels. Ob Juncker mit seiner EU-Seidenstraße auf großes Interesse stoßen wird, bleibt abzuwarten.

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