Dienstag, 16. Oktober 2018

Die Freien Wähler sind bevorzugter Partner der CSU. Grüne haben kaum Chancen auf Regierungsbeteiligung

Sieger ohne Machtperspektive


  • Von Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Grünen-Bundeschef Robert Habeck und der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter nach Bekanntgabe des bayerischen Wahlergebnisses
Grünen-Bundeschef Robert Habeck und der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter nach Bekanntgabe des bayerischen Wahlergebnisses
Claudia W. ist enttäuscht. Die Münchner Grünen-Wählerin hatte gehofft, dass sie mit ihrer Stimme einen Kurswechsel in Bayern herbeiführen könnte. Doch »jetzt sieht es so aus, als ob alles wie gehabt weitergeht, nur mit den Freien Wählern im Bunde«, befürchtet sie. In der Tat gingen die Signale am Wahlabend von Seiten einiger CSU-Politiker vor allem in Richtung »bürgerliche« Koalition statt einer schwarzgrünen Regierungsbildung nach dem Vorbild Baden Württembergs.
Die CSU ist mit ihrem Ergebnis von 37,2 Prozent der Wählerstimmen, dem schlechtesten seit Jahrzehnten, auf einen Koalitionspartner angewiesen. Das war vor zehn Jahren schon einmal so: 2008 gingen die Christsozialen mit der FDP zusammen. Doch deren aktuelles Ergebnis von gerade mal 5,1 Prozent macht eine Koalition unmöglich. Die CSU benötigt zum Weiterregieren einen gewichtigeren Partner. Vier Parteien stünden zur Verfügung. Die SPD mit ihren 9,7 Prozent hatte aber schon vor der Wahl erklärt, dass sie keinesfalls in eine Koalition mit der CSU eintreten würde. Man wolle nicht das Dilemma der Berliner Großen Koalition auf Landesebene wiederholen, hatte Spitzenkandidatin Natascha Kohnen betont. Außen vor ist auch die AfD, denn Ministerpräsident Markus Söder hatte seinerseits ein Zusammengehen mit ihr ausgeschlossen.
Als mögliche Partner bleiben neben den Grünen mit ihrem fetten Stimmanteil von 17,5 Prozent also nur die Freien Wähler (FW) mit 11,6 Prozent. Beide Parteien haben ihren Anspruch aufs Mitregieren erklärt. Die FW haben dabei die größten Chancen, sind sie doch quasi Fleisch vom Fleische der CSU.
Kommt es so wie erwartet, stünde FW-Chef Hubert Aiwanger als stellvertretender Ministerpräsident demnächst neben Markus Söder ganz oben in der Landespolitik. Der 47-Jährige kommt aus dem niederbayerischen Ergoldsbach bei Landshut und lebt in Rahstorf bei Rottenburg an der Laaber. Der FW-Fraktionschef im Münchner Parlament hat Landwirtschaft an der Fachhochschule Weihenstephan studiert. Den Freien Wählern schloss er sich bereits vor 16 Jahren an, 2006 wurde er zum Landesvorsitzenden der Partei gewählt. Vor allem auf kommunaler Ebene, spielen die FW in Bayern eine Rolle, vor allem auf dem Lande. Die Partei ist vielerorts von CSU-Aussteigern dominiert, denen die Alleinherrschaft der Christsozialen irgendwann auf die Nerven ging und die lokal eine andere Politik verfolgten.
 Politisch stehen die FW der CSU also wesentlich näher als die Grünen. So kritisierte Aiwanger 2015 in einem Interview, Horst Seehofer, damals noch Ministerpräsident, schöpfe beim Thema Flüchtlinge bei weitem nicht alle Möglichkeiten aus, um Flüchtlinge wieder loszuwerden. Erst auf Druck seien beispielsweise »im Nachtragshaushalt immerhin 50 zusätzliche Richter genehmigt worden, um Rückführungen von nicht Asylberechtigten in sichere Herkunftsländer zu beschleunigen«.
Angesichts dieser Übereinstimmung und des Wahlergebnisses ist Söder nicht darauf angewiesen, sich mit den Grünen an den Verhandlungstisch zu setzen und ihnen entweder extreme Zugeständnisse abzuverlangen oder aber selbst Kompromisse einzugehen, etwa beim Polizeiaufgabengesetz. Die Grünen hatten im Wahlkampf versprochen, die Aushebelung von Bürgerrechten durch das PAG wieder rückgängig zu machen, kämen sie in Regierungsverantwortung. Außerdem wollten sie den sogenannten Kreuzerlass wieder aufheben. Söders Regierung hatte verfügt, dass in öffentlichen Gebäuden des Freistaats Kruzifixe aufgehängt werden müssen. Auch in der Flüchtlingspolitik wollten die Grünen eine an Grundrechten orientierte Kehrtwende einleiten.
»Mit uns kann man über ein ökologisches, weltoffenes und gerechtes Bayern sprechen, aber nicht über eine autoritäre und antieuropäische Politik«, so lautet der Standpunkt der Grünen, was Koalitionsverhandlungen anbelangt. Der Bundesvorsitzende Robert Habeck hat jedoch bereits Kompromissbereitschaft angedeutet. Sollte es noch eine Chance auf ein Regierungsbündnis geben, »werden wir das ernsthaft ausloten und probieren«, sagte er am Wahlabend.

Der Grünen-Nachwuchs glaubt offenbar noch immer, dass es zu einem Bündnis ohne die CSU kommen könnte, trotz der Absage der Freien Wähler. »Wir Grüne sollten, wenn möglich, über ein Bündnis jenseits von CSU und AfD verhandeln oder aber unsere Inhalte als führende Kraft der Opposition im Landtag vertreten«, sagte der Sprecher der Grünen Jugend Bayern, Sebastian Hansen, am Sonntagabend in München. Das Wahlergebnis sei »ein Auftrag für echte Veränderung, aber dies ist mit der CSU nicht zu machen«.
Unterdessen gibt es bei der CSU auch innerparteilich Zäsuren. So verpasste Landtagspräsidentin Barbara Stamm - erwartungsgemäß - den Wiedereinzug in den Landtag. Die 73-Jährige, die keinen eigenen Stimmkreis hatte, wäre auf ein gutes CSU-Ergebnis angewiesen gewesen. Bereits seit 1976 saß Stamm für die CSU im Landtag. In den 80er Jahren wurde sie stellvertretende Fraktionschefin und Staatssekretärin im Kabinett von Franz Josef Strauß. Von 1994 bis 2001 war sie Sozialministerin in der Regierung von Edmund Stoiber. Landtagspräsidentin war sie seit 2008. In Umfragen erreichte sie immer wieder Spitzenwerte. Zuletzt war sie im Januar laut »BayernTrend« wieder die beliebteste Politikerin Bayerns.

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