Donnerstag, 18. Oktober 2018

Amtsgericht München bestätigt Strafbefehl wegen Verbreitung von YPG-Symbolen via Facebook

Auftakt bayerischer Prozessserie


Von Sebastian Lipp
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Vor einem Jahr mussten die Einheiten des sogenannten Islamischen Staats (IS) Rakka in Nordsyrien verlassen. Daran waren die Kämpferinnen und Kämpfer der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ maßgeblich beteiligt. Ausgerechnet am Jahrestag der Befreiung bestätigte das Amtsgericht München am Montag einen Strafbefehl wegen Internetbeiträgen mit der Fahne der syrisch-kurdischen Milizen.
Im Sommer 2017 hatte Edith Grube auf Facebook zwei Beiträge des Münchner Kommunikationswissenschaftlers und Aktivisten Kerem Schamberger geteilt. In beiden Fällen waren Fahnen der YPG beziehungsweise der YPJ zu sehen. Dafür hat die Münchner Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl über insgesamt 2.250 Euro (70 Tagessätze zu je 30 Euro plus Gebühren) gegen Grube ausgestellt. Die Behörde geht davon aus, dass es sich um Symbole einer verbotenen Organisation handelt. Deren öffentliche Verwendung sei daher nach dem Vereinsgesetz verboten.
YPG und YPJ sind allerdings in Deutschland gar nicht verboten. Nach Auffassung der Münchner Strafverfolgungsbehörde fallen deren Symbole jedoch unter das Verbot der seit 1993 verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die sie »usurpiert« habe.
Rechtsanwalt Mathes Breuer geht dagegen davon aus, dass Symbole wie das der YPG nicht so einfach der PKK zugerechnet werden können. »Zumindest ist die Frage ungeklärt«, sagte der Münchner Jurist am Mittwoch vor Gericht. Bundesweit werde das Zeigen von Fahnen wie der der YPG »völlig unterschiedlich gehandhabt«. Während der Freistaat Bayern versuche, durchzugreifen, gingen Gerichte in anderen Bundesländern davon aus, dass die Verwendung des Symbols nicht strafbar sei. Eine endgültige Entscheidung dazu sei aber bislang noch nirgendwo gefallen.
Das Amtsgericht München trug am Mittwoch nicht zur Klärung dieser offenbar strittigen Frage bei. Nachdem Grube den Strafbefehl erhalten hatte, hatte sie bei Gericht eine Reduzierung der Strafe wegen ihrer Einkommensverhältnisse beantragt. Ihr Schreiben legte das Gericht so aus, dass Grube die Bestrafung an sich akzeptiere. Entsprechend sei der Strafbefehl mit dem Schreiben rechtskräftig geworden und nur über die Höhe der Tagessätze zu verhandeln.
Den Einspruch von Rechtsanwalt Breuer wollte das Gericht nicht akzeptieren. Mit ihrem Schreiben habe die Angeklagte nach Auslegung des Gerichts außerdem bereits im Vorfeld den Verzicht auf Rechtsmittel in der Sache erklärt. Dadurch sei das Urteil längst rechtskräftig gewesen, als das Schreiben von Grubes Anwalt das Gericht erreichte. So entschied Richterin Krause, dass die Höhe der Tagessätze auf je 15 Euro reduziert werde. Damit sinkt die Strafe auf 1.050 Euro. Dazu sollen aber noch die Prozesskosten auf Grube zukommen.
»Das lasse ich mir nicht gefallen«, sagte Edith Grube nach der Verhandlung im Gespräch mit junge Welt. Als sie die Beiträge teilte, habe sie sich nicht vorstellen können, sich dadurch strafbar zu machen. Der Strafbefehl habe sie jedoch verunsichert. So habe sie den Brief in einer ersten Reaktion an das Gericht geschickt, »weil ich mir so eine hohe Strafe nie und nimmer leisten kann«.
Erst später habe sie sich von ihrem Rechtsanwalt erklären lassen, dass der Fall keineswegs so eindeutig sei, wie ihn die Staatsanwaltschaft dargestellt habe. Breuer wird nun für sie in Berufung gegen das Urteil gehen. Inzwischen sind weitere Fälle bekannt, in denen Münchens Staatsanwälte auf ähnliche Weise gegen Betroffene vorgehen. Die Betroffenen wollen sich ebenfalls wehren.
Für Grubes Verteidiger ist »schlicht nicht nachvollziehbar«, dass die bayerische Justiz Menschen verfolgt, die Symbole einer Organisation teilen, die erheblich zur Zurückschlagung des IS in Nordsyrien beigetragen habe. Inzwischen sei es gelungen, in diesen Gebieten »einigermaßen sichere Räume« für Geflüchtete und verfolgte ethnische Gruppe zu etablieren. Das gehöre honoriert und nicht verfolgt.

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