Sonntag, 10. Juni 2018

Washington erhöht Druck auf EU-Steueroasen, um russische Oligarchen gegen Moskau in Stellung zu bringen. Doch das könnte nach hinten losgehen

Wandel durch US-Sanktionen


Von Reinhard Lauterbach
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Washington will, dass Hochvermögende wie Wiktor Wekselberg dem russischen Präsidenten die Stirn bieten
Eine Kultserie im russischen Fernsehen der neunziger Jahre hieß »Auch die Reichen weinen«. Ob Russlands Vermögende heute schon die Tränen kommen, mag dahingestellt sein, aber nervös ist die Szene schon. Quer durch die Presse wird in diesen Tagen Alarm geschlagen, den russischen Offshore-Konten gehe es an den Kragen.
Anfang Mai war nach Berichten ­zypriotischer Medien ein Staatssekretär aus dem US-Finanzministerium zu Besuch in Nikosia und setzte der örtlichen Regierung die Pistole auf die Brust. Wenn sie im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung nicht »kooperiere«, komme der Finanzsektor des Landes insgesamt unter verschärfte Beobachtung Washingtons. Und so erließ die Zentralbank von Zypern in den letzten Maitagen ein Rundschreiben an die Geschäftsbanken des Landes. Sie sollten den Briefkastenfirmen im Lande detaillierte Auskünfte zu ihren Eigentümern und Begünstigten abverlangen, einschließlich Steuerbescheide für mehrere Jahre rückwirkend, bei natürlichen Personen zusätzlich polizeiliche Führungszeugnisse und was nicht noch alles – und das kurzfristig und ins Griechische übersetzt. Das zerstört natürlich ein ganzes Geschäftsmodell, denn wozu gründet man eine Firma in einer Steueroase, wenn man nichts zu verbergen hat? Wer die geforderten Dokumente nicht beibringen könne, dessen Konto werde »bis zur Klärung der Umstände« gesperrt.
Die zypriotische Zentralbank schloss erst einmal als Schnellschuss die Repräsentanz einer Bank aus Tansania mit Filialen in Somalia und im Libanon. Aber natürlich war das ostafrikanische Geldhaus nicht wirklich gemeint. Größte ausländische Investoren auf Zypern sind Russen und Ukrainer, die sich zunutze gemacht haben, dass die »Insel der Aphrodite« aus der Tourismuswerbung faktisch ein Finanzbordell ist. Wer zwei Millionen Euro in eine Immobilie auf Zypern investierte, bekam die Staatsangehörigkeit auf Wunsch dazu. Der Notar, der den Immobiliendeal beurkundete, konnte gleichzeitig als Leumundszeuge bei der Einbürgerung auftreten. Igor Kolomojskij aus der Ukraine hat so einen EU-Pass erhalten, sein russischer Kollege Wiktor Wekselberg auch. Wekselberg, der auf der jüngsten Sanktionsliste der USA steht, ist mit Anteilen im Wert von einer Milliarde Euro auch der größte Einzelaktionär der Bank of Cyprus, des größten Geldinstituts der Insel.
Warum hat die zypriotische Regierung so bereitwillig eine US-Forderung erfüllt, obwohl diese die zentrale Stütze der nationalen Ökonomie untergräbt? Genau, damit diese Stütze nicht völlig zum Einsturz gebracht wird. Im März hatte Washington das in Lettland vorgemacht. Damals hatten US-Vorwürfe gegen die drittgrößte Bank des baltischen Landes, sie organisiere Geldwäsche für Schattenfirmen aus Nordkorea und dem Iran, diese innerhalb einer Woche in die Pleite getrieben. Obwohl bzw. weil der Großteil ihrer Kunden aus Russland kam. Anschließend erließ die Regierung in Riga hektisch neue Regelungen, die angeblich die Transparenz im Bankwesen des Landes erhöhen sollten. In Lettland unterhielten rund 26.000 Scheinfirmen Konten. Das Geschäftsmodell war nicht weiter kompliziert: Eine GmbH lettischen Rechts, deren »Geschäftsführer« oft an der Ecke angeheuerte Obdachlose waren, nahm, gern in Großbritannien, einen Kredit auf, der aber faktisch nie floss. Als Bürgen funktionierten reiche Russen, die ihr Geld aus dem Land schaffen wollten. Irgendwann klagte die britische Seite gegen die lettische auf Rückzahlung, letztere passte mangels Masse, und der »verklagte« russische »Bürge« schob sein Geld nach Lettland, was auch Zweck der Übung war.
Sowohl Großbritannien (Kanalinseln, Isle of Man) als auch die USA (Bundesstaat Delaware) unterhalten wohlgemerkt solche Steuerparadiese im eigenen Land. Dass sie jetzt gegen die Geldwäsche in Lettland und Zypern vorgehen, hat also wohl kaum mit einem neu entdeckten Hang zu Treue und Redlichkeit zu tun. Es geht bei den Sanktionen darum, die reichen Russen gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin aufzubringen und so, wenn schon nicht die Massenbasis eines Regimewechsels zu schaffen, doch die Sponsorenschaft zu formieren.
Die Schritte gegen die Zypern-Konten könnten aber auch die entgegengesetzte Wirkung haben. Denn zwar ist die russische Bürgerpresse voll von Hinweisen, in welche »Jurisdiktionen« man sein Geld jetzt am besten verschiebe: Von Liechtenstein und Andorra wird wegen EU-Abhängigkeit abgeraten, besser seien schon die Seychellen, die Emirate oder Singapur. Russische Steuerberater sagen aber auch: Niemand wisse, wann die USA dort auftauchten und der ganze Zirkus wieder losgehe. Wer also einfach nur früher Steuern aus an sich legalen Geschäften hinterzogen habe, sei vielleicht nicht schlecht damit bedient, die jüngste Amnestie der russischen Regierung für heimisches Fluchtkapital zu nutzen. So könnte es noch dazu kommen, dass solches Schwarzgeld heimkehrt. Und für wirklich schwarzes Schwarzgeld hat Russland schon die Schaffung von eigenen Offshore-Zonen angekündigt.

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