Sonntag, 10. Juni 2018

Solidarisch mit dem antifaschistischen Kampf - Wahlempfehlung der MLPD

Die Präsidentschaftswahl in der Türkei wird vorgezogen und gleichzeitig mit den Parlamentswahlen 2018 stattfinden. Die MLPD ruft alle türkischen und kurdischen Kolleginnen und Kollegen auf, von ihrem Wahlrecht auch in Deutschland Gebrauch zu machen.
Sinn dieser Präsidentschaftswahlen ist es, die Verfassungsänderungen des Referendums 2017 in Kraft treten zu lassen, die dem Präsidenten weitgehende Entscheidungsbefugnis geben. Die Ämter des Staatsoberhaupts und des Regierungschefs liegen dann in einer Person, das Amt des Ministerpräsidenten entfällt. Grund dafür sind Probleme in der wirtschaftlichen Entwicklung, sowie die bröckelnde Massenbasis des faschistischen Regimes unter Recep Tayyip Erdoğan. Die MLPD ruft auf, die Halkların Demokratik Partisi (HDP), zu deutsch die Demokratische Partei der Völker zu wählen und ihren Kandidaten Selahattin Demirtas.

Die wirtschaftliche Entwicklung der neuimperialistischen Türkei fällt zurück

Das internationale Finanzkapital investierte in den letzten Jahren groß in die Türkei. Milliarden wurden in die türkische Wirtschaft gepumpt, wodurch die Inflation auf über zehn Prozent angestiegen ist. „Die Lira ist im Vergleich zum Euro so schwach wie nie zuvor. Jedes vierte Bürogebäude in der Türkei steht leer. Jeder fünfte junge Türke ist ohne Arbeit. Die türkische Wirtschaft ist gedopt", kritisiert der Istanbuler Ökonom Mustafa Sönmez.“
Türkische Firmen haben fast 200 Milliarden Euro Schulden angehäuft, ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts (BIP). "Die externen Schulden der Türkei machen das Land anfällig für Schocks", warnt der Internationale Währungsfonds (IWF).²
Erdoğan hat 24 Milliarden Euro Wahlgeschenke als „Konjunkturpaket“ versprochen, vor allem an Rentner. 12 Millionen Rentnerinnen und Rentner verspricht er an zwei religiösen Feiertagen jeweils 2.000 Lira (400 Euro). So versucht er sich über die Wahl zu retten. Erdoğans Nimbus, der Türkei Wohlstand gebracht zu haben, verflüchtigt sich angesichts der Wirklichkeit - in der Türkei noch schneller als in Deutschland. In Deutschland wirkt eine intensive Manipulation der türkischen Migranten durch die türkischen Medien.
Es ist dem antifaschistischen Kampf der Massen und der Arbeiterklasse zu verdanken, dass die Stimmung an Erdoğans Massenbasis bröckelt. Der 1. Mai markierte im Besonderen eine Festigung des fortschrittlichen Stimmungsumschwungs unter den erschwerten Bedingungen.
So berichtet die ICOR-Mitgliedspartei Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP), dass am 1. Mai landesweit Millionen Menschen auf die Straße gingen. Trotz faschistischer Diktatur brachten sie zum Ausdruck keine Reserve für den Sozialchauvinismus sein zu wollen.³
Die Bevölkerung kämpft mutig gegen die Besatzung: in Nordkurdistan (Türkei), wie auch in den besetzten Gebieten Efrîns, wo durch die türkischen Truppen, verbunden mit den faschistisch-islamistischen Gruppen, die Gesetze der Scharia eingeführt werden. Die Türkei wollte die Region Efrîn in drei Tagen erobern und steckt nun einem Guerillakampf fest. Es gab mittlerweile drei internationale Aktionstage zur Solidarität mit Efrîn, unter anderem am 21. März, zu dem auch die revolutionäre Weltorganisation ICOR aufrief.
Wer steht zur Wahl?
Erdoğan ist Präsidentschaftskandidat der AKP und der faschistischen MHP. Muharrem Ince ist Kandidat der kemalistischen CHP. Er hat Chancen, Erdoğan zu überholen, wenn dieser im ersten Wahlgang keine 50 Prozent bekommt. Dann kandidieren im zweiten Wahlgang die beiden mit den meisten Stimmen, und Ince könnte andere Parteien hinter sich bringen.
Meral Aksener ist Kandidatin der Iyi Partisi („Gute Partei“), 2017 gegründet. Aksener war bis Juni 1997 Innenministerin der Türkei und bis 2016 Mitglied der faschistischen MHP. Sie ist keine Alternative zu Erdoğan.
Bei der kommenden Wahl die HDP zu wählen, bedeutet ein Signal zu setzen. Sie kann bei Überschreitung der Zehn-Prozent-Hürde bei der Parlamentswahl der AKP die Mehrheit streitig machen. In aktuellen Umfragen liegt sie bei 13 Prozent. Und das trotz massiver Unterdrückung und Wahlmanipulationen mit der Verlegung von 143 Wahllokalen in Kurdistan, um den Menschen den Wahlgang zu erschweren.
Jede Woche werden Hunderte festgenommen, es gibt Misshandlungen und Folter in den Gefängnissen. Tausende Mitglieder der HDP sind festgenommen, Zehntausenden Wahlhelfern droht das gleiche. Es gibt auch die Überlegung, gegen Erdoğan wahltaktisch die CHP zu wählen. Aber die CHP hat kein Problem mit dem Krieg gegen Kurdistan und die gesamte imperialistische Außenpolitik. Die Wahl der HDP ist ein Protest gegen das faschistische Regime und stärkt die Zusammenführung der antifaschistischen Kräfte.
„Wahlen ändern nichts grundsätzlich“, das erklären türkische Organisationen und kritisieren zurecht Illusionen, dass Wahlen die Zukunft der Gesellschaft entscheiden würden. Das resultiert aus der Sorge der revolutionären Linken, das man sich zu sehr auf den parlamentarischen Weg fokussiert. Der Bezug auf die revolutionäre und Arbeiterbewegung muss auch bei der HDP gestärkt werden. Trotzdem hält die MLPD Aufrufe zum Wahlboykott diesmal nicht für den richtigen Weg. Es ist wichtig, dass die Massen mit der Wahl der fortschrittlichen HDP eine Alternative haben, und damit ihren Protest auch an die Urnen tragen können.
In Deutschland nahm die KPD am 5. März 1933 nach der Errichtung der faschistischen Diktatur an der Reichstagswahl teil, kurz bevor sie verboten wurde. Sie stützte sich dabei auf die Erfahrungen Lenins aus Russland. In seiner Schrift „Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit des Kommunismus“ zog er 1920 die Lehre: „Deshalb übrigens ist es, neben einer Reihe anderer Gründe, für Westeuropa schwerer, als es für uns war, die sozialistische Revolution zu beginnen. Diese Schwierigkeit dadurch ‚umgehen‘ zu wollen, dass man die schwere Aufgabe der Ausnutzung reaktionärer Parlamente zu revolutionären Zwecken ‚überspringen‘ möchte, ist reinste Kinderei.“⁴

Es gilt, alle Möglichkeiten im Kampf gegen den Faschismus zu nutzen

Dass dies ein Kampf ist, der die Arbeiterklasse und die Massen in Deutschland und der Türkei betrifft, zeigt die enge Zusammenarbeit beider Regierungen. Dieser Kampf macht nicht vor Grenzen halt - die internationale Arbeitereinheit mit dem internationalen Industrieproletariat als Rückgrat ist die entscheidende Gegenkraft.
Notwendig ist der Aufbau einer länderübergreifenden antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront, wie ihn die ICOR mit ihren 51 Organisationen weltweit jetzt vorschlägt. Der antifaschistische Kampf muss mit der Perspektive des Kampfes für die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt geführt werden. Wichtige Lehren dazu enthalten die Erfahrungen aus dem Kampf gegen den deutschen Faschismus von Willi Dickhut, dem Mitbegründer der MLPD.
Quellen & Links
¹ Spiegel online, 25.05.2018
² Spiegel online, 25.05.2018
³ MLKP - International Bulletin, Mai 2018
⁴ Lenin Werke, Bd. 31,S.50

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen