Sonntag, 10. Juni 2018

Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora ehrt Hans Gasparitsch mit Broschüre zum 100. Geburtstag

Lebenslanger Antifaschismus


Von Sandra Schönlebe
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Gedenken an die Befreiung Buchenwalds im April 2018 anlässlich des 73. Jahrestags
Die Broschüre ist zum Preis von 5 Euro im Onlineshop der VVN-BdA zu erwerben: shop.vvn-bda.de
»Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.« So endet der »Schwur von Buchenwald«, den einige der 21.000 Überlebenden des Konzentrationslagers in Thüringen aus 50 Nationen am 19. April 1945, nur wenige Tage nach der Befreiung, leisteten. Sie schworen es im Gedenken an die rund 56.000 Häftlinge, die in dieser menschengemachte Hölle den Tod fanden. Einer der Überlebenden, die dieses Versprechen gaben, war Hans Gasparitsch. Anlässlich seines 100. Geburtstages hat die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora eine Broschüre über sein Leben und Wirken vor, während und nach der Zeit des deutschen Faschismus veröffentlicht. Der am 30. März 1918 geborene Stuttgarter wurde bereits zwei Jahre nach der Machtübertragung an die Nazis verhaftet – am 14. März 1935. Vorher hatten er und sein Freundeskreis, der sich den Namen »Gruppe G« – das G steht für Gemeinschaft – gegeben hatte, verschiedene Widerstandsaktionen durchgeführt. Nach seiner Verurteilung wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« kam Hans Gasparitsch im Anschluss an seine Gefängnishaft im Jahr 1937 in das erste von vier Konzentrationslagern, die er bis 1945 überlebte. Mehrfach verdankte er dies der Solidarität der politischen Häftlinge untereinander.
Nach seiner Befreiung gründete er 1947 die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) mit, die sich nicht nur gegen das Vergessen wandte, sondern auch die politische Entwicklung der BRD aus antifaschistischer Perspektive begleitete und kritisierte. Ziele der Organisation waren »Entnazifizierung, Entmilitarisierung, Entmonopolisierung, Demokratisierung, Sozialstaatlichkeit, Völkerverständigung und antifaschistische Einheit in ganz Deutschland«, wobei sie sich direkt auf den Schwur von Buchenwald bezog.
Spätestens mit dem Verbot der KPD 1956 musste Gasparitsch erkennen, dass die bundesdeutsche Gesellschaft von diesen Ideen weit entfernt war. Im Zuge der neuerlichen Repression gegen Kommunistinnen und Kommunisten verlor er seine Arbeit als Journalist und sattelte beruflich auf das Bauingenieurwesen um.
Trotzdem blieb Gasparitsch Zeit seines Lebens politisch, trat in Schulen als Zeitzeuge auf und demonstrierte 1993 in seiner Häftlingskleidung gegen die Verschärfung des Asylrechts. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für sein Engagement im Jahr 2000 erscheint angesichts seiner Lebensgeschichte wie eine zu spät gekommene, lasche Geste.
Die Autoren der 76 Seiten umfassenden Broschüre »Hans Gasparitsch – Widerstandskämpfer und ehemaliger Häftling der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald« gehen auch auf Diskurse über die Bedeutung des kommunistischen Widerstands vor und nach dem »Mauerfall« ein. Allerdings lassen einige der Artikel hierbei eine gewisse Distanz zur DDR-Geschichtsschreibung missen. Dennoch bietet die Publikation mit einem ausführlichen Interview mit dem Protagonisten, eloquenten Originaltexten zu seiner Haft in mehreren Konzentrationslagern und deren Verarbeitung sowie zur Gedenkstättenpolitik und zahlreichen Abbildungen eine interessante Lektüre für Geschichtsinteressierte, die angesichts einer baldigen Zukunft ohne Zeitzeugen umso wertvoller wird.
Hans Gasparitsch blieb bis zu seinem Tode im Jahr 2002 ein überzeugter Antifaschist. Die Verwirklichung der im Schwur von Buchenwald formulierten Ziele erlebte er nicht. An ihm selbst kann es nicht gelegen haben.

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