Sonntag, 10. Juni 2018

G-7-Treffen in Kanada: Gemeinsame Erklärung fraglich. Macron und Trudeau wollen Trump isolieren. Merkel setzt auf »Europe United«

Gipfel und Galle


Von Jörg Kronauer
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Protest gegen G-7-Gipfel: Hunderte Menschen demonstrierten bereits am Donnerstag abend in Québec
Ein heftiger Schlagabtausch auf höchster Regierungsebene ist dem G-7-Gipfel im kanadischen La Malbaie vorausgegangen, der am Freitag abend begann. In den zentralen Streitpunkten zwischen der EU und den Vereinigten Staaten – in der Iran-Politik und bei den US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium – zeichnete sich keine Annäherung ab. Ganz im Gegenteil: alle Beteiligten bekräftigten die Entschlossenheit, ihre Positionen durchzusetzen. US-Präsident Donald Trump teilte mit, er werde für seine Handelspolitik »kämpfen«. Aus seinem Umfeld hieß es, er sei »wütend« auf die anderen Teilnehmer des G-7-Gipfels, weil sie sich seinen Forderungen beharrlich widersetzten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wiederum drohte auf Twitter – in englischer Sprache –, Trump könne bei dem Treffen »isoliert werden«. Zudem hieß es nach vorbereitenden Gesprächen zwischen Macron und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau aus Paris, man habe sich auf eine harte Linie im Strafzollstreit geeinigt. Auch Trudeau sei einer Isolierung Trumps nicht abgeneigt.
Etwas vorsichtigere Töne waren vorab aus Berlin zu hören. Die Bundesregierung steht unter starkem Druck weiter Teile der deutschen Wirtschaft, die bei einer Eskalation des Handelskonflikts mit den USA massive Einbußen befürchten und deshalb auf Zurückhaltung dringen. Dennoch teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit, einen »Kompromiss um des Kompromisses willen« werde es nicht geben. Notfalls werde man auf die übliche gemeinsame Gipfelerklärung verzichten. Macron hat am Freitag die Option ins Gespräch gebracht, »eine Sechser-Vereinbarung zu unterzeichnen« – also eine Abschlusserklärung ohne die USA. Technisch wäre das wohl problemlos möglich, da Trump angekündigt hat, den Gipfel am Samstag vorzeitig zu verlassen und früher als geplant nach Singapur aufzubrechen, wo er sich auf sein bilaterales Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un am kommenden Dienstag vorbereiten will. Unklar ist, ob Berlin eine nur von sechs G-7-Staaten unterzeichnete Erklärung mittragen würde. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat am Freitag darauf hingewiesen, dass der innenpolitische Streit in den USA über Trumps Handelspolitik noch nicht beendet sei und er immer noch auf eine für Deutschland günstige Wende hoffe.
Unabhängig davon hat Macron am Freitag dazu aufgerufen, sich Washingtons »Vormachtpolitik« offen zu widersetzen. Das ist insofern interessant, als die USA seit 1990 als globale Führungsmacht galten. Dieser Status steht inzwischen in Frage. Merkel hatte am vergangenen Wochenende geurteilt, »die Welt« werde »multipolar«; das wiederum bedeute »für uns Europäer, dass wir unsere Stellung im globalen Gefüge neu definieren müssen«. Der damalige Außenminister Sigmar Gabriel hatte im vergangenen Jahr die von Berlin angestrebte Position gegenüber den Vereinigten Staaten als »Partnerschaft auf Augenhöhe« definiert. Mit Blick auf die Tatsache, dass Trump sich diesem Bestreben verweigert, setzt die Bundesregierung auf die EU: »Die Antwort auf ›America First‹ kann nur ›Europe United‹ sein«, erklärte Außenminister Heiko Maas am Freitag im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Die machtpolitisch wichtige Einigkeit hat nun allerdings Italien in Frage gestellt: »Russland soll wieder in die G 8«, schrieb der neue Ministerpräsident Giuseppe Conte gestern auf Twitter; das sei »im Interesse aller«. Mit Berlin war das nicht abgestimmt.

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