Sonntag, 10. Juni 2018

Einsatz gegen Unterdrückung als Merkmal der Gottesehrfurcht: Ayatollah Ramezani über das Leid in Palästina



Aus der Freitagsansprache von Ayatollah Reza Ramezani vom 8. Juni 2018 im Islamischen Zentrum Hamburg über die weltweite Unterdrückung von Menschen und unseren Einsatz für ihre Befreiung

Im Namen Gottes, der Gnädigen, des Begnadenden

Ich empfehle uns allen und mir selbst die Ehrfurcht vor Gott und den Gehorsam gegenüber seinen Geboten. Die Gottesehrfurcht eines Menschen misst sich an seinem Handeln. Nach den Worten des heiligen Imam Ali (a.) ist jemand gottesehrfürchtig, der sich nicht zu schämen bräuchte, würden seine gesamten Taten der Menschheit offengelegt werden. Ein gottesehrfürchtiger Mensch ist imstande, sein Handeln rechtzufertigen. Er prüft, was Gott von ihm für seine Seelenentwicklung wünscht, und versucht entsprechend zu handeln.

Eine wichtige Prüfung für uns ist unser Handeln im Angesicht der Unterdrückung in der Welt. Imam Ali (a.) setzte sich stets für die Schwachen und Unterdrückten in der Welt ein. Als er einst erfuhr, dass in einem entfernten Gebiet unter islamischer Regentschaft einer Jüdin der Ringschmuck vom Körper entrissen worden war, sprach er: „Wenn jemand aus Trauer und Gram der Ungerechtigkeit wegen, die diese Frau erfahren hat, stirbt, dann kann man ihm dafür keinen Vorwurf machen.“

Es spielt keine Rolle, wer die Unterdrückung erleidet und welcher Religion das Opfer angehört. Der Islam verurteilt jede Form der Unterdrückung und Tyrannei. Er leitet die Gesellschaften an, eine Entwicklungsstufe zu erreichen, in der es keine Unterdrückung mehr gibt, keinen Mord, keine Vertreibung.

Wir dürfen unsere Verantwortung nicht leichtnehmen. Wenn wir uns als Anhänger des heiligen Propheten (s.) bezeichnen, müssen wir die Lage der Unterdrückten in unserer heutigen Welt im Blick haben. Wie könnten wir uns als Anhänger des heiligen Propheten (s.) bezeichnen und gleichzeitig der Lage der unterdrückten Menschen weltweit, welcher Herkunft auch immer, teilnahmslos gegenüberstehen? Dem Propheten (s.) zufolge ist jemand, der zu Bett geht, ohne dass er sich um die Belange der Muslime kümmerte und danach strebte diese zu verbessern, kein Muslim. Wer den Hilferuf des Hilfsbedürftigen, gleich von welchem Menschen, ignoriert, ist kein Muslim.

In unserer heutigen Welt müssen wir bezeugen, wie die Tyrannei gegenüber den Muslimen zunimmt. Viele Kriege sind in den letzten Jahrzehnten zum Leid der muslimischen Völker ausgetragen worden, grausame Massaker und Völkermorde haben sie erlitten. Ihrem Ruf nach Gerechtigkeit und Frieden müssen wir nachkommen. Wir müssen davon sprechen, die Menschen darüber aufklären.

Ich kann die Leiden der Muslime unserer Zeit nur beispielhaft auflisten: Die Muslime in Afghanistan haben 1979–89 durch die Besatzung der Sowjetunion massives Unrecht erlitten. Millionen Menschen wurden ermordet, mehr noch wurden vertrieben, Rückstände von verschiedenen Waffen führten zu Generationen von körperlichen Behinderungen. Die ganze Gesellschaft wurde unterjocht. Dies wurde durch andere Unterdrücker bis heute aufrechterhalten. Im Bosnienkrieg ab 1992 reihten sich die Massenmorde an den Muslimen in unerträglicher Weise aneinander. Serbische Militärs massakrierten hunderttausende Muslime, vier Millionen wurden vertrieben, tausende Kinder ermordet, Mädchen und Frauen zu Tausenden vergewaltigt. Die Welt schwieg. Im Irakkrieg 2003 wurde unter falschem Vorwand das Land angegriffen, Millionen wurden getötet, drei Millionen Waisenkinder hat dieser Völkermord geschaffen. Etliche Opfer gab es gleichsam in Syrien, Somalia, Libyen, im Libanon und überall in der Welt.

Vor allem sehen wir die grausame Unterdrückung in Palästina: Dieses Land steht seit siebzig Jahren unter Besatzung. Die Anzahl der vertriebenen Palästinenser übersteigt sieben Millionen. Über achtzig Resolutionen wurden in der UN zur Verbesserung der Lage dieser entrechteten Menschen verabschiedet – keine davon wurde umgesetzt. Jede Art von Angriff muss Palästina erleiden und die Welt schweigt! Warum schweigt die Welt? Sind denn Palästinenser keine Menschen? In den letzten Wochen wurden bei friedlichen Protesten der Palästinenser gegen die Annexion von Jerusalem dutzende Demonstranten ermordet, tausende wurden verwundet. In dem jüngsten Massaker wurden dreizehn Kinder erschossen. Der systematische Mord an Kindern kennt seit Jahrzehnten keine Grenzen in Palästina.

Die einzige Forderung der Palästinenser ist es, selbstbestimmt über ihr Schicksal zu entscheiden, über ihr Land und ihre Bevölkerung. Das aber wird ihnen nicht gestattet. Sie werden unterdrückt, erniedrigt, ermordet und vertrieben. Und die Welt sieht tatenlos zu. Welche Stimme in der Welt setzt sich für die Palästinenser ein? Was ist das für eine unvorstellbare Tyrannei, die ihnen vor aller Augen widerfährt? Müssen wir gegenüber dieser Ungerechtigkeit nicht unsere Stimme erheben? Müssen wir den Palästinensern nicht ihr Recht zurückgeben, über ihr eigenes Land zu verfügen? Warum habt ihr sie vertrieben? Warum habt ihr ihre Frauen und Kinder getötet? Mit welchem Recht habt ihr diese Gräueltaten begangen?

Möge Gott den Wunsch und das Gebet aller Menschen erhören, dass die Menschheit von der Ungerechtigkeit und Tyrannei befreit wird und dass die Unterdrücker für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden und ihrer rechtmäßigen Strafe zugeführt werden.

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