Sonntag, 10. Juni 2018

Eine halbe Million Kinder und Jugendliche hatte die Bundeswehr 2017 im Visier

Lampionumzug durch die Kaserne


Von Peer Heinelt
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Demonstrative Kinderfreundlichkeit auch im Auslandseinsatz: Deutscher Soldat in Mali (Mai 2016)
Der »Tag der Bundeswehr« dient erklärtermaßen nicht nur der Imagepflege, sondern vor allem dem Anwerben von Personal. Die potentiellen Rekruten können dabei offenbar gar nicht jung genug sein: In der Appener Marseille-Kaserne etwa wird es laut Veranstaltungsankündigung ein eigens für die »kleinen Besucher« eingerichtetes »Kids Camp« geben – mit Bastelbereich, Kinderschminken, Entenangeln, Barfußpfad und Hüpfburg samt Riesenrutsche. Das »Highlight« allerdings ist die »Fliegerschule« für unter 11jährige. Wie die Truppe mitteilt, stehen hier Tretpedalautos in Form »bunte(r) Doppeldecker« bereit, um einen »vorgegebenen Parcours« zu »durchfliegen«. »Die Kinder sollten ganz viel Interesse, Neugierde und gute Laune mitbringen. Alles andere bekommen sie (…) bei uns«, erklärt die für die »Fliegerschule« verantwortliche Bundeswehrangestellte Bettina Straub.
Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion vom März dieses Jahres hervorgeht, verfügen die deutschen Streitkräfte bereits über reichlich Erfahrung im Umgang mit den lieben Kleinen. Aufgelistet sind hier rund hundert Kooperationen der Armee mit Grundschulen, Kindertagesstätten und Einrichtungen der frühkindlichen Förderung respektive der Kinder- und Jugendhilfe. So überlässt die Truppe den »Kids« gerne mal ihre Schwimmhallen, stellt Tischchen und Stühlchen im Kita-Garten auf oder veranstaltet einen Lampionumzug durch die Kaserne.
Nun ist es aus Sicht einer Söldnerarmee wie der Bundeswehr in Zeiten eklatanten Personalmangels sicherlich zielführend, die nachwachsende Generation bereits frühzeitig mit dem Militär in Berührung zu bringen. Richtig interessant aber wird es erst, wenn die Kids ein Alter erreichen, in dem sie sich fragen, welchen Beruf sie ergreifen sollen. Dann schlägt die große Stunde der »Karriereberater« der Truppe, die beim »Tag der Bundeswehr« selbstverständlich flächendeckend präsent sein werden. Doch damit nicht genug: Mit Vorträgen an weiterführenden Schulen, Auftritten bei Jobmessen oder Besuchen der Arbeitsagentur erreichten die Rekrutierungsspezialisten allein im letzten Jahr nach eigenem Bekunden rund 370.000 Jugendliche. Nimmt man diejenigen hinzu, die im Rahmen des Schulunterrichts den militärpolitischen Ausführungen eines sogenannten Jugendoffiziers lauschen durften, kommt man fast auf eine halbe Million.
Außerordentlich stolz ist die Truppe folgerichtig auf einen Coup, der ihr schon im Vorfeld des diesjährigen »Tages der Bundeswehr« gelungen ist: Auf Anregung ihrer Lehrerin haben angehende Kaufleute für Büromanagement der Hannah-Arendt-Schule Hannover einen QR-Code für Ausstellungstafeln entwickelt, durch den Besucher des nahegelegenen Fliegerhorstes Wunstorf per Smartphone Informationen über die dort präsentierten Kampfflugzeuge vom Typ A400M oder Eurofighter abrufen können.
Selbst vor der Rekrutierung Minderjähriger schrecken die deutschen Streitkräfte nicht zurück; allein 2017 traten 2.128 unter 18jährige den Kriegsdienst an – mehr als je zuvor. Laut Definition der UN handelt es sich bei ihnen um Kindersoldaten.

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