Mexiko Linksveteran López Obrador könnte genau der Präsident sein, den ein von Drogenkrieg und Korruption gezeichnetes Land braucht
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Er kam aus der Hängematte
Diesen Fragen versucht sich Amlo durch die Ansage zu stellen, dass er ausgewiesene Experten in sein Kabinett berufen wolle. Zudem hat er der Wirtschaft versprochen, dass es „keine Enteignungen“ und „keine Verstaatlichung“ geben werde, sollte er gewinnen. Auch wehrt er sich gegen den Vorwurf, er wolle Lateinamerikas zweitgrößte Ökonomie in die Vergangenheit zerren. „Aber wenn der Horror, in dem wir jetzt leben, auch unsere Zukunft sein soll, dann ist die Vergangenheit allemal vorzuziehen“, so Amlo jüngst bei einer Demonstration.Während die Uhr bis zur Wahl Anfang Juli tickt, forcieren seine Gegner ihre Angstkampagne zu einem letzten verzweifelten Versuch, Amlos Griff nach der Macht zu verhindern. „Dieser Mann ist die falsche Wahl für Mexiko. Er ist müde, er ist alt, er ist obsolet. Er ist nur von Spinnern umgeben, und seine Ideen sind überholt“, erregt sich Jorge Castañeda, eine der Schlüsselfiguren beim nicht eben aussichtsreichen Unterfangen, Amlo scheitern zu lassen. „Die Leute gehen nicht deshalb zu seinen Wahlkampfauftritten und glauben nicht deshalb an ihn, weil er als glänzender Rhetoriker so kluge Sachen sagt oder so charismatisch daherkommt. Sie gehen hin, weil er für das Ende eines Systems steht.“
Amlos Lebensgeschichte beginnt in der Stadt Tepetitán im Bundesstaat Tabasco, wo er im November 1953 als erstes von sieben Kindern geboren wird. Heute steht die Büste des berühmtesten Sohnes der Stadt vor einem der Häuser, in denen er seine Kindheit verbracht hat, neben einer Plakette, die ihn „El Rostro de la Esperenza“ (Das Gesicht der Hoffnung) nennt.
Man hat ihm den Spitznamen „El Peje“ gegeben, nach dem Pejelagarto (Knochenhecht), einem temperamentvollen Fisch, der in Mexiko weitverbreitet ist. In seiner Jugend spielte er Baseball und arbeitete zusammen mit seinem Bruder José Ramón (der sich später aus Versehen mit einem Revolver erschießt) im Kleiderladen des Vaters. Ende der 1970er wird Amlo politisch aktiv, zieht nach Nacajuca, in eine Gegend nördlich von Tabascos Hauptstadt Villahermosa, wo das indigene Volk der Chontal Maya lebt, um dort der lokale Resident des Instituto Nacional Indigenista (INI) zu werden. „Er übernahm diese Rolle, als wäre sie sein Schicksal, mit einem geradezu missionarischen Eifer“, schreibt José Agustín Ortiz Pinchetti in einer schmeichelhaften neuen Biografie über den Freund. „Er lebte dort in einer Hütte wie die indigenen Familien auch.“ Amlo und seine Familie hätten sechs Jahre lang in Hängematten geschlafen und „afrikanische Temperaturen von über 40 Grad erduldet“, mit nichts weiter als einem einzigen Ventilator, der ein wenig Abkühlung verschafft habe. Doch sei damals „das innere Feuer“ entzündet worden, um in Mexiko für die vielen, nicht für die wenigen Politik zu machen.
Mit U-Bahn-Tickets zum Sieg
Diese Zeit verschafft Amlo eine beträchtliche Anhängerschaft. „Was er auch immer sagte, wir glaubten ihm, weil er Wort hielt“, schwärmt Glenda Jasso Aquino vom Stamm der Chontal Maya. López Obrador kennt sie seit Langem. Sie erinnert sich, wie er sich einmal mit dem staatlichen Ölkonzern Pemex anlegte und Protestcamps vor dessen Büros errichtete, um das Unternehmen zu zwingen, Kompensationen an die indigene Community zu zahlen, deren Land verschmutzt wurde.Von Tabasco aus führte Amlos Weg schließlich nach Mexiko-Stadt, wo er im Jahr 2000 zum Bürgermeister der Kapitale gewählt wurde und schwor, sich „zuerst um die Armen zu kümmern, damit es allen besser geht“. In der Hauptstadt konnte die Linke ihre politischen Gegner bei Wahlen jahrelang immer wieder vernichtend schlagen. Amlo subventionierte U-Bahn-Tickets, ließ Ältere und alleinerziehende Mütter durch Hilfsprogramme unterstützen und mehrere Schnellstraßen bauen. Gegner verurteilten das als Populismus, was sie nicht daran hinderte, Amlo in anderen Teilen des Landes zu kopieren.
Als der sich daranmachte, die mexikanische Hauptstadt umzugestalten, begann er auch, das ultimative politische Ziel in den Blick zu nehmen: die Präsidentschaft. Bei seinem ersten Anlauf 2006 verlor er knapp, behauptete, das Votum sei manipuliert worden, und betrieb monatelang die Besetzung des politischen Zentrums von Mexiko-Stadt. 2012 unterlag er erneut, diesmal gegen den jetzigen Amtsinhaber Enrique Peña Nieto (PRI)
Danach hat Amlo versucht, sich ein etwas moderateres Image zu geben, was viele seiner Anhänger wie Teresa Jaber enttäuscht. Sie arbeitet heute als Anwältin und hätte sich einen radikaleren Anführer gewünscht. „Er ist nicht mehr der Revolutionär von damals.“
Je näher der Wahltag rückt, desto entschiedener sind Analysten davon überzeugt, dass sich Amlo in einer unangreifbaren Position befindet, auch wenn einige Rivalen laut Umfragen aufholen konnten.
Ex-Außenminister Castañeda erzählt, er arbeite 16 Stunden am Tag, um das Ruder noch herumzureißen. Sein Kandidat Anaya habe eine „realistische Chance“, Amlo doch noch zu stoppen. Dass sich vielleicht kurz vor dem Wahltag eine große Anti-Amlo-Allianz zusammenfindet, sei „durchaus vorstellbar“. Allerdings muss auch Castañeda eingestehen, dass es eine „relativ große Lücke“ zwischen den Kandidaten gibt. Viele Mexikaner hätten das System derart satt, dass sie nur noch dächten: „Wir wollen einfach diese Typen loswerden, geben wir ihm doch einfach eine Chance.“
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