Samstag, 12. Mai 2018

Freizeitgestaltung in der islamischen Lebensweise

Der heutige Mensch sieht sich im Zuge der Entwicklungen der Welt mit immer mehr Medien und Kommunikationsmöglichkeiten konfrontiert. Jene Medien bieten aufgrund ihres großen Potenzials eine große Palette an Diensten und Funktionen an. Eine dieser Funktionen, welche vom Publikum dieser Medien als die wichtigste betrachtet wird, ist das Füllen der Freizeit. Der Fernseher hat durch seine großen technischen und audiovisuellen Möglichkeiten diese Funktion gegenüber den anderen Medien am besten realisiert und ist daher beim Publikum heute das wichtigste Medium im Bereich Freizeit.
Belange wie Nachrichten, Bildung und Kultur stehen hierbei jedoch erst an zweiter Stelle. Der Verfasser dieses Beitrages hat das Ziel, das Thema Freizeit in den Mittelpunkt dieser Erörterung zu setzen und das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten – sowie verschiedene Strategien und Ansätze zu erläutern, welche der Planung der Freizeit verbunden mit einem islamischen Lebensstil dienen.
Die Bedeutung des Begriffes „Freizeit“
Der Lebensstil lässt sich als ein bestimmtes System des Lebens betrachten, welches den Einzelnen, die Familie und die Gesellschaft sowie die Verhaltensweisen und die Taten allesamt einschließt. Mit dieser Definition des Lebensstiles lässt sich die Art der Freizeitnutzung als Unterpunkt des gewählten Lebensstiles eines Menschen in der Gesellschaft betrachten. Der Begriff „Freizeit“ assoziiert Dinge wie Gelassenheit, Entspannung und die Gelegenheit zur Erholung, beispielsweise von der Arbeit etc. – und darüber hinaus beinhaltet die Bedeutung ebenfalls ein Loslösen von Stress und Druck und die freie Entscheidungsmöglichkeit über eben jene Zeit.
Das aus innerer Zufriedenstellung und persönlicher Motivation herrührende Aussuchen einer bestimmten Aktivität aus einer Vielzahl von verschiedenen Optionen stellt die herausragendste Besonderheit der „Freizeit“ dar. Somit bezieht sich dieser Begriff auf eine Zeit, in welcher eine Person seine persönlichen oder gesellschaftlichen Pflichten erfüllt hat – und nun seine freie Zeit je nach eigener Lust und Laune für verschiedene Dinge aufwenden kann. Somit ist die Freizeitaktivität keine auferlegte oder verpflichtende Aktivität, sondern dient der inneren Zufriedenstellung.
Die Freizeit bzw. die Freizeitaktivität steht also in Verbindung mit der Arbeit. Das, was die Freizeitaktivität in ihrer Natur von anderen Handlungen jedoch unterscheidet, ist das Gefühl der Zufriedenstellung und des Glücks, welches man dadurch erlangt. Dies bedeutet, dass sogar die täglichen und erforderlichen Aktivitäten des Lebens als eine Art „Freizeitaktivität“ betrachtet werden können, wenn sie ein Gefühl der Zufriedenstellung und Befriedigung im Menschen hervorrufen. Auf anderer Seite ist es wichtig, zu sehen, dass in der realen Welt ein völliges Loslösen von allen Verpflichtungen und der Verantwortung für das Leben nicht vorstellbar wäre. Aufgrund dessen ist dem Menschen keine vollkommene Freiheit beim Thema Freizeit möglich.
Relevanz und Stellung der Freizeit
Die Relevanz der Freizeit im Leben lässt sich nur in Anbetracht der zahlreichen und facettenreichen Bedürfnisse des Menschen analysieren und erklären. Alle Menschen sehen sich im alltäglichen Leben bzw. dem Arbeitsleben Bedürfnissen ausgesetzt, welchen nicht nachgegangen werden kann und die somit unbefriedigt bleiben. Somit ist es sehr wichtig, dass der Mensch eine gewisse Zeit zur Verfügung hat, in welcher er sich diesen Bedürfnissen widmen kann und durch das Erfüllen dieser sein Glück, seinen Wohlstand und seine Entwicklung fördert.
Einige dieser Bedürfnisse, welche man als „Freizeit-Bedürfnisse“ bezeichnen kann, sind die folgenden: das Bedürfnis neue Erfahrungen zu machen, welche durch Reisen oder Abenteuer hervorgerufen werden können; Erholung und Vergnügen; die Findung der eigenen Persönlichkeit; Kontakte und das Pflegen von Beziehungen mit anderen; geistige Aktivitäten und die Steigerung der Kreativität; das Sich-Kümmern um andere Personen; sowie körperliche Aktivitäten (Sport etc.). Somit lassen sich die Bedürfnisse des Menschen als Quelle für die Gestaltung der Freizeit betrachten.
Im Industriezeitalter bedeutete Freizeit das Beenden der Arbeit und den Beginn einer zeitlich begrenzten Erholung mit dem Ziel neue Kräfte zu sammeln, um nach dieser freien Zeit wieder arbeiten zu können. Dies bedeutet, in solch einem System wird die Freizeit ausschließlich über die Arbeit definiert und findet ihre Relevanz im Rahmen der Steigerung der Arbeitsmoral. Aus dieser Perspektive betrachtet werden die Stunden des Tages in zwei Gruppen eingeteilt, einmal die der Arbeit und einmal die der Freizeit.
In einer industriellen Welt wird die „Zeit“ durch die „Arbeit“ beherrscht, wobei die Arbeit den Fokus des Lebens darstellt. Aus dieser Sichtweise wird die Funktion der Freizeit als Erholung von der Arbeit und das Schöpfen neuer Kraft für eine bessere Arbeitsmoral definiert. Darüber hinaus hat jene Industrialisierung Einfluss genommen auf die Steigerung des Bedürfnisses nach Freizeit in der Gesellschaft. So ist auch durch die hieraus erfolgten Wandlungen in der Gesellschaft und des Lebensstils ein erhöhtes Bedürfnis nach Freizeit entstanden.
Positive Funktionen der Freizeit
Die Freizeit erfüllt verschiedene Funktionen. Diese „Funktionen“ kann man in diesem Kontext auch Möglichkeiten nennen, welche die Freizeit birgt. Es ist nämlich so, dass uns durch diese besondere Zeit die Möglichkeit zum Erreichen einiger Erfolge in unserem Leben gegeben werden – seien diese individueller oder gesellschaftlicher Natur. Einige Möglichkeiten zur Nutzung der Freizeit sind folgende:
  1. Vergnügung: Eins der Bedürfnisse des Menschen ist das Verlangen nach Vergnügen und Spaß, welchem innerhalb der Freizeit nachgegangen werden kann.
  2. Erholung: Eine weitere Funktion der Freizeit für den Menschen ist die Erholung bzw. Entspannung. Regelmäßiges und pausenloses Arbeiten ohne die Möglichkeit einer Erholung mindert die Arbeitsmoral und Leistung – und zieht die Gesundheit des Menschen in Mitleidenschaft. Natürlich bedeutet dies nicht, seine Zeit sinnlos zu vertreiben, vielmehr soll sich der Mensch der körperlichen und geistigen sowie nervlichen Erholung widmen und infolgedessen eine Steigerung der Arbeitsmoral und Leistung verspüren.
  3. Fördern der Begabungen: Wenn die Begabungen und Fähigkeiten eines Menschen auf fruchtbaren Boden fallen, so verwirklichen sich diese und werden in die Praxis umgesetzt. Dies bedeutet, dass das Erkennen der eigenen Fähigkeitsbereiche in der Art und Weise, wie der Mensch lebt, eine sehr wichtige Rolle spielt. Die Freizeit stellt eine wertvolle Möglichkeit dar, seine Talente zu erkennen und zu fördern.
  4. Gesellschaftliches Leben: Die freie Zeit bildet den Rahmen dafür, an gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen – was zu einer Verbesserung der gesellschaftlichen Beziehungen und einem Wachsen innerhalb der Gesellschaft führt.
  5. Fördern der eigenen Persönlichkeit: Freizeit löst den Menschen von den sich wiederholenden Tätigkeiten des Alltags und fördert die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Menschen. Dies hat großen Einfluss auf das Finden und Formen der eigenen Persönlichkeit.
  6. Fördern der Kreativität: Im Rahmen der Freizeit lässt sich die Kreativität anregen und fördern. Der Mensch kann somit diese Möglichkeiten nutzen, auf dem Weg der Förderung seiner Kreativität von seinen Fähigkeiten und Begabungen Gebrauch zu machen.
  7. Pflege der eigenen Seele: Ununterbrochenes Arbeiten ohne gedankliche oder körperliche Rast führt zu geistiger und physischer Erschöpfung. Eine Person kann durch diese Erschöpfung mit der Zeit seine Freude und sein Wohlbefinden verlieren. Aus diesem Grund kann die Freizeit im Leben des Menschen eine wichtige Rolle einnehmen, was die geistige und physische Erhaltung betrifft.
Freizeit aus Sicht der Moderne
Auf Grundlage der Weltanschauung und Philosophie der Moderne hat der materialistische Genuss für den Menschen eine höhere Relevanz. Alle Angelegenheiten, selbst was gut und schlecht für den Menschen ist, werden über den Maßstab des Genusses entschieden, welcher im Fokus aller Dinge steht. Dies bedeutet, dass die Freizeit in der Zeit der Moderne mit dem Genuss verknüpft ist und dasjenige als Freizeit bezeichnet wird, bei dem der Mensch mehr Genuss und Vergnügen erlebt.
Anders ausgedrückt ist in der heutigen Gesellschaft eine der Besonderheiten der Freizeit das Suchen von Genuss, Vergnügen und Fröhlichkeit – so, dass einige eben jenen Genuss und seine Relevanz in der modernen Kultur als Ausgangspunkt dieser großen Zuwendung zur Freizeit betrachten. Aus diesem Grund flüchten die Menschen der Moderne aufgrund des hohen Stellwertes von Genuss, Spaß und Vergnügen vor der Arbeit flüchten möchten und diese lediglich als „verpflichtendes Übel“ betrachten. Jene Arbeit, die einst als Handlung der Ehre und Würde des Menschen betrachtet wurde. Diese Betrachtungsweise der „Arbeit“ wies der Freizeit eine neue Bedeutung zu und setzte sie mit Genuss und Vergnügen gleich.
Sayyid Morteza Aviny schrieb über dieses Thema: „Eine der wichtigsten Eigenschaften einer utopischen und entwickelten Gesellschaft ist aus der Sicht einiger Planer eine Gesellschaft, in welcher die Arbeit auf ein Minimum gesenkt und im Gegenzug die Stunden der Freizeit auf ein Maximum angestiegen sind. Dies ist eine Eigenschaft eines Paradieses auf Erden, welches die Menschen zu erreichen versuchen. Wenn der Maßstab für Entwicklung und positiven Fortschritt das Weniger-Arbeiten ist, so ist das Paradies dort, wo gar keine Arbeit existiert.
Für die meisten Menschen in den heutigen Zivilisationen beginnt das Leben erst dort, wo die tägliche Arbeit endet. Somit ist die Kehrseite der Münze hier eine entstehende Arbeitsflucht und zügelloses Verlangen nach Vergnügen und Genuss, welches alle Grenzen überschreitet. In der aktuellen westlichen Gesellschaft gilt diese Betrachtungsweise des Vergnügens als absolutes Grundrecht eines jeden – in dem Maße, dass auch Rechte teilweise in Bezug auf diese festgelegt werden, um für alle den Rahmen für eine zügellose Befriedigung der Gelüste zu schaffen.“[1]
Freizeit aus Sicht des Islams
Wenn man die Lehren des Islams studiert, so stellt man fest, dass der Islam sich ebenfalls dieser Thematik widmet und durch das Betrachten dieser Angelegenheit als relevant ebenso verschiedene Herangehensweisen und Grundlagen anerkennt. Die wichtigsten Grundlagen, welche in diesem Bereich aus den Lehren des Islams hervorgehen, sind die Folgenden:
  1. Die Kostbarkeit der Zeit: Ohne Zweifel ist Zeit des Menschen wichtigstes und größtes Kapital. Durch eine gute Nutzung jener Zeit kann der Mensch sich materiell und geistig entwickeln. Die Menschen opfern ihre Zeit für gewöhnlich dem Verdienen und Ansammeln von Besitz und Geld, obwohl diese eigentlich im Dienste der Zeit des Menschen stehen und als Werkzeug dienen müssten, um diese besser zu nutzen. Auf Grundlage dessen sagte der Prophet (s.): „Seid in der Angelegenheit euer Lebenszeit geiziger als in der Angelegenheit von Besitz und Geld.“[2]. So sagte darüber hinaus Imam Ali (a.): „Die Momente deines Lebens sind Einzelteile deiner Lebensdauer. So bemühe dich, dass kein Moment deiner Zeit mit etwas anderem als dem, was deiner Rettung dient, verschwendet wird.“[3]
  2. Die göttliche Ausrichtung: Eine der wichtigsten Betrachtungsweisen des Islams in Bezug auf die Freizeit ist, dass diese nicht vollkommen dem Willen des Menschen untersteht, so dass er tun und lassen kann, was er möchte in jener Zeit – sondern dass selbst die Aktivitäten, welche man für die Freizeit wählt, gute und dem Menschen würdige Taten sind, welche im Lichte des göttlichen Gehorsams und Seiner Zufriedenheit stehen. Imam Sajjad (a.) sagt in einem seiner Bittgebete: „Wenn du für uns Erholung von einer Arbeit vorgesehen hast, so lasse diese Erholung eine gute sein, welche nicht in Sünden und Leid für uns endet.“[4] In diesem Zusammenhang sagte Imam Ali (a) bezüglich des heiligen Verses “Sondern suche in dem, was Allah dir gegeben hat, die Wohnstatt des Jenseits; und vergiss deinen Teil an der Welt nicht; …“ (Al-Qasas | 28:77), „Vergiss deine Gesundheit, Kraft, freie Zeit, Jugend und Erheiterung nicht und verfolge mit diesen fünf großen Segnungen dein Jenseits.“[5]
  3. Planung und Organisation: Der Mensch benötigt im Zeitalter der Kommunikation sowie der vielfältigen Entwicklungen Planung und Organisation, um selbst wissenschaftliche, geistige und gesellschaftliche Fortschritte zu machen und seine Freizeit angemessen zu nutzen. Die islamischen Lehren verpflichten uns ebenso, jeden Moment des Lebens wertzuschätzen. Der Prophet (s.) empfahl in einer Überlieferung seinem Gefährten Abu Dharr al-Ghafari: „Nutze fünf vor fünfen, nutze dein Leben vor deinem Tode, deine Gesundheit vor Deiner Krankheit, deine Jugend vor Deinem Alter, deinen Reichtum vor Deiner Armut und Deine Freizeit vor Deinem Beschäftigtsein.“
Die korrekte Planung und Organisation in den verschiedenen Angelegenheiten des Lebens ist so bedeutsam, dass Imam Ali (s.) kurz vor seinem Märtyrium auf seinem Sterbebett die Gottesfurcht, die Ordnung und Disziplin als die wichtigsten Grundsätze in seinen letzten Zügenseinen Kindern und Nahestehenden ans Herz legte: Die richtige Nutzung seiner Zeit besteht darin, dass der Mensch anhand einer guten Planung seiner Zeit diese einteilt und mit Aufgaben versieht, so dass er ein ungutes Gefühl verspürt und sich steht bemüht es wieder gut zu machen, wenn an einem Tag seine Planung durcheinander kommt.
Imam Ali (a.) sagte über die richtige Nutzung des Tages: „Ein gläubiger Mensch teilt die Zeit seines Lebens in drei Abschnitte: 1. Zeit, um dem erhabenen Schöpfer näher zu kommen und seine Beziehung zu Ihm zu pflegen. 2. Das Verdienen des Unterhalts und Regeln von materiellen Bedürfnissen (Essen, Kleidung etc.). 3. Zeit für Erholung geistiger und körperlicher Natur und den Genuss der von Gott erlaubten Dinge dieser Welt.“[6]
  1. Das Zusammenführen von Freizeit und Arbeit: Ein System aufbauend auf religiösen Werten und Maßstäben, betrachtet Arbeit als eine heilige Angelegenheit des Lebens, in welchem Bemühungen und Arbeit für den Menschen keineswegs fremd sind. In dieser Kultur versteht man unter Freizeit nicht Untätigkeit, Zeitverschwendung oder Faulheit, im Gegenteil muss die gesamte Zeit Aktivitäten gewidmet werden, die Nutzen enthalten und ein bestimmtes, für den Menschen sinnvolles, Ziel verfolgen. Im heiligen Qur’an wird an den Propheten adressiert, gesagt: „Und, wenn du (mit etwas) fertig bist, dann bemühe dich (auch weiterhin) , und begehre die Nähe deines Herrn.“ (Sure 94 | Vers 7-8). Somit ist der Gläubige stets mit sinnvollen Dingen beschäftigt und vergeudet seine wertvolle Zeit nicht. Der Fürst der Gläubigen, Imam Ali (a.), sagte in diesem Zusammenhang: „Der Gläubige ist nicht ohne Arbeit und ist in seiner Zeit beschäftigt.“[7] Im Gegenzug ist in der islamischen Lehre derjenige, der auch nur einen Schritt ziellos und sinnlos macht, getadelt worden[8] . Denn gemäß Imam Ali (a.) soll man jeden Tag Taten verrichten, die einen Fortschritt und eine Entwicklung bewirken. Das bedeutet schließlich, dass man für dieses Ziel keinen einzigen Moment vergeuden sollte. Dies heißt nun nicht, dass man durchgehend arbeiten soll oder kein Platz für Erholung oder Vergnügen ist, sondern dass das Leben des Gläubigen geordnet sein muss und für jedes seiner körperlichen und geistigen Bedürfnisse eine korrekte Planung stattfinden muss.
  2. Kein Fixieren auf Vergnügen: Im Islam ist ein Mensch in seiner Freizeit nicht ausschließlich auf Vergnügen fixiert. Somit ist auch die Freizeit ein Teil der Lebenszeit und wertvoll und von Bedeutung und soll sich nicht lediglich um Spiel und Spaß drehen. Einige Arten seine Freizeit zu verbringen, auf welche der Islam sein Augenmerk legt und welche bei der Planung der Freizeit dringend miteinbezogen werden müssen, sind unter anderem folgende:
  3. Verbesserung des Ichs: Die islamischen Lehren legen ein besonderes Augenmerk auf das stetige Verbessern des Ichs und der Widmung von Zeit für dieses Anliegen. In diesem Zusammenhang finden wir zahlreiche Überlieferungen, welche die Notwendigkeit aufzeigen, dass der Mensch eine bestimmte Zeit dafür einteilt, sich mit seinen Taten und seinem Verhalten aktiv auseinanderzusetzen, um sich positiv zu entwickeln. Imam Ali (a.) sagt über diesen Aspekt folgendes: „Wie gut ist es doch, wenn der Mensch Teile seiner Zeit dem Rückzugvon den Beschäftigungen des Lebens widmet sich selbst Rechenschaft ablegt und darüber nachdenkt, was er in seinen Tagen und Nächten erreicht hat und was er verloren oder verpasst hat.“[9]
Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass ununterbrochene geistige oder körperliche Beschäftigung ohne die richtige Nutzung der Freizeit mit der Zeit schlechte Angewohnheiten und Verhaltensweisen beim Menschen hervorruft, da er sich nicht seiner Selbst widmet. Dies ist der Grund, wieso die Freizeit eine der besten Möglichkeiten ist, um über seine Taten nachzudenken und mit dem Ziel der Korrektur sein eigenes Verhalten zu bewerten.
  1. Gottesdienst: Eine der Wege seine Freizeit zu füllen, ist der, sich Gottesdiensten zu widmen, welche nicht verpflichtend sind. So lesen wir in einer Überlieferung des Gesandten Gottes (s.): „Der vorzüglichste Mensch ist derjenige, der den Gottesdienst liebt, ihn umklammert und vom Herzen Zuneigung dafür empfindet, sich mit Leib und Seele diesem widmet und sich dafür von anderen Dingen zurückzieht.“[10]
  2. Vergnügen und Unterhaltung: Das Bedürfnis nach Vergnügen und Spaß ist ein natürliches Anliegen des Menschen. Dieses natürliche Bedürfnis äußert sich im Kindesalter als kindliches Spielen und im höheren Alter je nach Erziehung, Umfeld und Gesellschaft in verschiedenen Facetten und Formen. Dieses Vergnügen löst den Menschen von den eintönigen und ermüdenden Aktivitäten des Lebens und entbindet ihn vorübergehend von der Last der Verantwortung. Somit sind Spaß und Vergnügen eine Grundlage für die Erholung des Menschen, auf welche nicht verzichtet werden kann. Aus diesem Grund wird auch im Islam auf die Wichtigkeit dieses Anliegens hingewiesen. Daher sagt Imam Ali (a.) in einer Überlieferung: „Vergnügen oder Fröhlichkeit führen zu seelischer Erholung und Glück.“
Diesbezüglich sagte auch der Prophet (s.) zu seinen Gefährten: „Widmet euch den erlaubten Vergnügungen; denn ich möchte unter euch keine Gewalt oder Aggression sehen.“[11] Imam Musa al-Kadhim (a.) sagte ebenfalls: „Nehmt einen Anteil an den Genüssen dieser Welt für euren Wohlstand und erfüllt eure Bedürfnisse auf erlaubtem Wege und gebt darauf acht, dass auf diesem Wege eurer Würde und Ehre nicht geschadet wird, ihr nicht verschwenderisch werdet oder übertreibt und dass ihr euch selbst dadurch bei der Vollbringung der Taten für das Jenseits fördert.“[12]
  1. Reisen: Das Reisen findet in den islamischen Lehren eine starke Befürwortung und zählt zu den möglichen Freizeitaktivitäten. Der heilige Qur’an ordnet an verschiedenen Stellen die Erkundung der Welt und der Völker an mit dem Ziel, aus deren Ergehen Lehren zu ziehen und spricht in diesem Zusammenhang vom „Umherreisen auf Erden“ (Sure 22 | 46). Diesbezüglich sagte der Prophet (s.) ebenfalls: „ Reist umher, so dass ihr geistige und physische Gesundheit erlangt.“[13]
Einer der wichtigsten positiven Aspekte des Reisens ist, dass es eine gesunde und gute Art der Freizeitaktivität darstellt, vergangenen Zivilisationen kennenzulernen und Lehren aus ihrem Schicksal zu ziehen, den Schöpfers durch seine Schöpfung zu erkennen und den gedanklichen Horizont zu erweitern.
  1. Gesellschaftliches Engagement: Teile der Freizeit können darüber hinaus für das gesellschaftliche Engagement eines Menschen genutzt werden. Eins der wichtigsten Gebote des Islams ist es, seinesgleichen zu helfen, in guten Dingen mit anderen zu kooperieren sowie bedürftige und ältere Menschen in der Gesellschaft zu unterstützen. Wohltätigkeit, Spenden, Armensteuer sowie die Fünftelabgabe – welche alle im Islam eine hohe Bedeutung innehaben – deuten ebenfalls auf die Wichtigkeit dieses gesellschaftlichen Anliegens hin. Auch der heilige Qur’an thematisiert das gesellschaftliche Zusammenarbeiten und Engagement an verschiedenen Stellen. Im 2. Vers der Sura Ma’ida (5) zum Beispiel heißt es: „Und helft einander in Rechtschaffenheit und Frömmigkeit; doch helft einander nicht in Sünde und Übertretung.“
  2. Imam Ali (a.) rief die Menschen in Bezug auf die Wichtigkeit des Zusammenhaltes und der Einheit der Familie ebenfalls dazu auf, sich gegenseitig stets zu helfen und liebevoll miteinander umzugehen: „ Oh ihr Menschen, wie wohlhabend ein Mensch auch sein mag, so ist er dennoch nicht bedürfnislos gegenüber seiner Familie, (und bedarf) ihrer Unterstützung mit Wort und Tat. Die Verwandtschaft ist die größte Gruppe von Menschen, die eine Person unterstützt und ihr ihew Ängste und Probleme nimmt sowie in Zeiten des Leides ihr gegenüber am treusten sind. Derjenige, der seiner Verwandtschaft seine helfende Hand entzieht, verliert im Gegenzug eine Vielzahl von ihm helfenden Händen. Derjenige hingegen, der die Flügel der Liebe in der Familie ausbreitet, wird weiter im Genuss ihrer Freundschaft sein.“[14]
  • Einhaltung der Prioritäten: Eine weitere Grundlage, dessen Beachtung bezüglich der Freizeit notwendig ist, ist das Einhalten der Prioritäten. Dies bedeutet, dass der Mensch in seiner Freizeit, zwischen den verschiedenen, ihm zur Verfügung stehenden Aktivitäten, Prioritäten setzt und gemäß ihrer Relevanz handelt.
    Imam Ali (a.) sagt hierzu: „Derjenige, der sich einer wichtigen Tätigkeit widmet, der verpasst eine bessere und wichtigere Tat.“[15] An dieser Überlieferung lässt sich die Bedeutung der Prioritätensetzung ablesen. Der Mensch ist konfrontiert mit einer Kette von Angelegenheiten, welche wichtig und wichtiger sein können – somit ist es erforderlich, in dieser Situation der wichtigeren Tat nachzukommen.
  • Vermeiden von Taten ohne Nutzen: Aus Sicht des islamischen Lebensstils ist es außerdem wichtig, sich von Taten ohne Nutzen und Zweck fernzuhalten. Dies hat ebenfalls Einfluss auf die Wahl der Freizeitaktivitäten und die Nutzung der Zeit. Der heilige Qur’an zählt dies als Eigenschaft der Gläubigen auf: „Die Gläubigen sind diejenigen, die sich von leerem Gerede und Angelegenheiten ohne Nutzen abwenden.“ (Al-Mu´minun | 23:3) Erwähnenswert ist hier, dass mit Angelegenheiten ohne Nutzen die Taten gemeint sind, welche islamrechtlich neutral bzw. erlaubt sind, durch die der oder die Ausübende weder im Diesseits noch im Jenseits Nutzen hat.
  • Freizeit und die Kommunikationsmedien: In der heutigen Welt nehmen Fernseher, moderne Smartphones, Internet und soziale Netzwerke etc. einen Hauptteil der Freizeit ein. Hierbei ist die Unterhaltungsfunktion dieser technischen Errungenschaften die meist genutzte Funktion. Somit wird auch ein großer Teil der Freizeit des Menschen für Dinge aufgewendet, die lediglich spielerischer und unterhalterischer und nicht erzieherischer oder bildender Natur sind. Dadurch, dass die sozialen Netzwerke sich eines großen Publikums erfreuen, wächst auch ihr Einfluss stetig. Einer dieser Einflüsse ist das Propagieren einer Freizeitform, in welcher man selbst untätig ist.
In der „aktiven Freizeit“ bzw. dieser Art von Aktivtäten pflegt der Mensch selbst soziale Kontakte und Beziehungen und setzt sich in Bewegung, um individuell oder gesellschaftlich aktiv zu sein. Dieser Prozess schafft einen geeigneten Rahmen für das Ausreifen der eigenen Persönlichkeit und der Gesellschaft als Ganzer sowie die Verbesserung der sozialen Kompetenzen. In der „untätigen Freizeit“ hingegen ist der Mensch lediglich Konsument und nimmt keinen Einfluss auf die erwähnten Aspekte.
Das Verbringen der Freizeit in dieser untätigen Form bedeutet, eine passive Haltung einzunehmen und lediglich das aufzunehmen, was einem angeboten wird. Die sozialen Netzwerke haben sich auf diese Art der Freizeitbeschäftigung spezialisiert. Anders gesagt, lässt sich durch den Einfluss dieser technischen Werkzeuge ein Trend dahingehend erkennen, dass aktive soziale und gesellschaftliche Beziehungen an Bedeutung verlieren und das Verbringen der Freizeit in Einsamkeit Zuwachs findet.
Qassem Karbasian
[1] Aviny, Sayyid Morteza, Bd. 1, S. 82.
[2] Allamah Majlisi, Bihar-ul-Anwar. Bd. 77, S. 78.
[3] Tamimi Amedi, Ghurar al-Hikam. Bd. 1, S. 252.
[4] Sahifat-us-Sajjadiya, S. 99.
[5] Ayatollah Makarem Shirazi, Tafsir Nemuneh. Bd. 16, S. 156.
[6] Nahdsch-ul-Balagha. Weisheit 390, S. 726.
[7] Nahdsch-ul-Balagha. Weisheit 333.
[8] Sheikh Saduq. Al-Amali, S. 413.
[9] Tamimi Amudi, Ghurar al-Hikam, S. 698.
[10] Kulayni, Usul al-Kafi Bd. 2, S. 83.
[11] Nahdsch-ul-Fasaha, S. 255.
[12] Ibn Shuba al-Harani, Tuhaf-ul-uqul, S. 410.
[13] Tabrasi, Makarim al-Akhlaq, S. 260.
[14] Nahdsch-ul-Balagha, 23. Predigt.
[15] Tamimi Amudi, Hadith 952.

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