Mittwoch, 18. Januar 2017

Obdachlose in Köln: Seit 15 Jahren Hilfe zum Überleben

Gulliver am Hauptbahnhof feierte 15-jähriges Bestehen. Das Angebot für Obdachlose nennt sich selbst „Überlebensstation“. Um das Überleben auf „Platte“ zu sichern, ist die Einrichtung von frühmorgens bis spätabends geöffnet. Damit war das Gulliver Vorreiter in Deutschland, denn in den Randzeiten, in denen solche Einrichtungen üblicherweise geschlossen sind, sind Obdachlose besonders auf Hilfe und Unterstützung angewiesen.
Das Gulliver bietet praktische Unterstützung wie Wasch- und (Tages-) Schlafmöglichkeiten, Mahlzeiten, Kleiderkammer und eine postalische Adresse. Neben dieser Grundversorgung finden Obdachlose dort aber auch Gruppenangebote, Kultur und wechselnde Kunstausstellungen, deren Künstler selbst aus dem Obdachlosenmilieu stammen.
Mit einer solchen Kunstausstellung von Olga Denysova (siehe Bild) wurde jetzt das 15-jährige Bestehen begangen, und Die Linke bzw. deren Fraktionsvorsitzender durfte dazu das Grußwort sprechen.
Auszüge aus der Rede von Jörg Detjen:
100 bis 200 Menschen und 100 bis 200 Schicksale sind seit 2011 Jahr für Jahr wohnungslos geworden. 25 Prozent aller Obdachlosen in NRW leben in Köln. Das sind alarmierende Zahlen!
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlichte im Juli dieses Jahres einen Artikel über „Verdeckte Obdachlosigkeit“ von Kindern und Jugendlichen: „Junge Wohnungslose, vor allem 18 bis 25 Jahre alt, die geduscht und gepflegt anzutreffen sind und Nacht für Nacht bei einem anderen Bekannten unterkommen.“ Die Kölner Streetworker nennen sie „Couch-Hopper“.
Es fehlen in Köln nicht nur 50 000 Wohnungen, was schlimm genug ist. Es fehlt ein soziales und politisches Verständnis dafür, wie sich große Metropolen entwickeln und verändern. Einer der bekanntesten Stadtforscher, Walter Siebel, hat in seinem neuen Buch „Die Kultur der Stadt“ geschrieben: „In den Prozessen der Ausgrenzung spielt die Stadt eine wichtige Rolle. Sie fungiert als eigenständiger Faktor, der soziale Ungleichheit überformt, mildert oder zu Ausgrenzungsprozessen dynamisiert.“
Exemplarisch können Sie das an der Diskussion über die Silvesternacht sehen. Schutzzonen sollen gebildet werden und zu Silvester sollen Zäune errichtet werden, um Menschen abzuweisen und auszugrenzen. Eine neue Kölner Stadtordnung soll Bettler und Künstler vertreiben.
Das sollten wir nicht zulassen! Ich reibe mir die Augen, wenn ich mitbekomme, dass die Polizei und das Domkapitel diese Vorschläge sehr kritisch sehen und sich links von der Stadtverwaltung positionieren.
Der Dombaumeister berichtete bei uns in der Fraktion, dass Bettler durch ihre Anwesenheit den Dom doch vor Übergriffen von Passanten schützen. Sie gehören zum Dom seit Jahrhunderten.
Statt Ausgrenzung brauchen wir Zuwendung und vor allem Wertschätzung. Gulliver ist Wertschätzung gegenüber den Menschen!
Das Projekt, dieser Raum, die Versorgungseinrichtung und diese Ausstellung haben sich bewährt und sind nicht weg zu denken.
Köln und das Rheinland sind eine Metropole. Hier kommen die Menschen hin. Hier wollen sie arbeiten, Geld verdienen und leben. Köln ist auch eine „Arrival City“, eine Ankunftsstadt, wie Doug Saunders sein Buch betitelt hat.
Er schreibt: „Armut in der Stadt ist, den beengten Lebensverhältnissen und häufigen Demütigungen zum Trotz, immer eine Verbesserung gegenüber der Armut auf dem Land, und für einen Bewohner der Ankunftsstadt ist Armut eine vorübergehende Notwendigkeit, nichts anderes.“
Diese Menschen müssen aber Chancen bekommen, ihre Situation selber verändern zu können. Wir brauchen durchlässige Strukturen und Gleichheit bei der Behandlung, beim Zugang zum Schulsystem, zu Wohnungen, zur Arbeit oder beim Gründen eines kleinen Betriebs. Stattdessen kaserniert der Staat Flüchtlinge und baut ein gigantisches bürokratisches Netz auf, das ausgrenzt und demotiviert.
Vielleicht sollten die staatlichen Stellen von Gulliver lernen: Gulliver gibt den Menschen Raum, die Möglichkeit sich auszuruhen, zu kommunizieren, sich neu zu besinnen und neu aufzustellen. Bei Gulliver gibt es Respekt und Wertschätzung für jeden gleich.
Die ganze Rede ist nachzulesen unter http://www.linksfraktion-koeln.de

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